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Arbeitsrecht
08.08.2016
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Berechnung des einzusetzenden Einkommens

LAG Nürnberg, Urteil vom 30.6.2016 – 7 Ta 75/16

Amtlicher Leitsatz

Bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens bleibt ein steuerfreier Verpflegungsmehraufwand unberücksichtigt. Bezieht der Antragsteller oder sein Ehepartner Erziehungsgeld, ist dieses bis zu einem Betrag von 300,00 € monatlich nicht anzurechnen.

§ 115 ZPO, § 82 SGB XII, § 10 BEEG

Sachverhalt

I.

Die Parteien führten vor dem Arbeitsgericht Nürnberg einen Rechtsstreit.

Der Kläger beantragte am 19.10.2015 Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B.. Am 11.03.2016 legte der Kläger eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Belege vor. Wegen des Inhalts wird auf die Erklärung Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht erließ am 11.03.2016 ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten, das diesem am 15.03.2016 zugestellt wurde. Der Beklagte legte gegen das Versäumnisurteil kein Rechtsmittel ein.

Am 08.04.2016 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm Frau Rechtsanwältin B. bei. Es setzte monatlich zu zahlende Raten in Höhe von 143,00 € fest.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 15.04.2016 zugestellt.

Der Kläger legte gegen den Beschluss am 17.05.2016 (Dienstag nach Pfingsten) sofortige Beschwerde ein. Er wendet sich gegen die Festsetzung der Ratenzahlung. Der Kläger führt erstmalig aus, er habe auf ein Darlehen bei der Targobank eine monatliche Rate in Höhe von 230,00 € zu zahlen.

Aus den Gründen

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 127 Absatz 2 Satz 2 ZPO, sowie frist- und formgerecht eingelegt worden, §§ 127 Absatz 3, 569 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Kläger stützt seine sofortige Beschwerde darauf, dass er über die bereits in erster Instanz geltend gemachten Verpflichtungen hinaus auf ein Darlehen monatlich 230,00 € zu zahlen habe.

Der Kläger ist mit diesem Vorbringen nicht ausgeschlossen.

Die Bewilligungsvoraussetzungen können auch noch im Beschwerdeverfahren nachgewiesen werden (vgl. Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 18.11.2003 – 5 AZB 46/03; juris). Nach § 571 Absatz 2 Satz 1 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden.

Dem steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.12.2003 (2 AZB 19/03; juris) nicht entgegen. Im dort zu entscheidenden Fall war die Prozesskostenhilfe insgesamt versagt worden, weil der Kläger entgegen einer ihm gesetzten Frist keinen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt hatte. So hatte er u.a. nicht mitgeteilt, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite.

Ein vollständiger Antrag setzt voraus, dass das Gericht eine tatsächliche Grundlage hat, die es ihm ermöglicht, über den Antrag auf Prozesskostenhilfe zu entscheiden, insbesondere, ob von einer Bedürftigkeit der Partei auszugehen ist.

Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.

Das Erstgericht konnte aufgrund der bisherigen Angaben des Klägers eine Entscheidung treffen und hat entschieden.

Ob die vom Kläger nunmehr geltend gemachte Rate für das Darlehen zu berücksichtigen ist, steht nicht fest. Der Kläger hat nicht dargelegt, wann und wofür die Darlehensschuld entstanden ist. Es war indes entbehrlich, dem Kläger eine entsprechende Erklärungsfrist zu setzen. Dem Kläger ist, auch wenn die Darlehensraten nicht berücksichtigt werden, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Es liegt ein vom Kläger einzusetzendes Einkommen nicht vor.

Nach der Abrechnung für November 2015 beträgt der Nettoverdienst des Klägers 1.963,82 €.

Hiervon sind abzuziehen 252,00 € Verpflegungszuschlag, § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1.a) iVm § 82 Absatz 2 Nr. 4 SGB XII und §§ 3 Nr. 16, 9 Absatz 4a EStG. Aus der vorgelegten Abrechnung ergibt sich, dass der Verpflegungszuschlag steuerfrei ausgezahlt wird.

Zuzüglich des Kindergeldes von 188,00 €, das der Kläger erhält, beläuft sich das Ein-kommen des Klägers auf 1.899,82 €.

Hiervon sind abzuziehen:

- 213,00 € § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1.b) ZPO

- 468,00 € für den Kläger § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2.a) ZPO

- 468,00 für die Ehefrau des Klägers § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2.a) ZPO

- 272,00 € für das Kind § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2.b) ZPO

- 509,44 € § 115 Absatz 1 Satz 3 Nr. 3. ZPO.

Für die Ehefrau des Klägers ist der gesamte Freibetrag anzusetzen. Sie bezieht zwar ein Erziehungsgeld in Höhe von 150,00 € monatlich. Dieser Betrag ist indes nicht anzurechnen. Der Anrechnung steht § 10 Absatz 2 BEEG entgegen (vgl. Bayerischer Verwaltungs-gerichtshof ‒ Beschluss vom 21.12.2010 ‒ 5 C 10.2551;juris). Danach ist Erziehungsgeld bis 300,00 € nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Nach Abzug der gesamten Kosten verbleibt ein Minusbetrag von 30,62 €.

Demnach sind keine monatlichen Raten zu zahlen.

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