LAG Nürnberg: Benachteiligung – Bewerbung – Geschlecht – Entschädigung
LAG Nürnberg, Urteil vom 13.12.2022 – 7 Sa 168/22
Volltext: BB-Online BBL2023-691-4
Leitsatz
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes liegt vor, wenn einem männlichen Bewerber um eine Stelle abgesagt wird mit der Begründung, "unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände".
§§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1, 7, 15 Abs. 2 AGG
Sachverhalt
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche nach dem AGG nach einer erfolglosen Bewerbung des Klägers.
Der am 05.10.1980 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Er arbeitete von 2000 bis 2008 nach seinem Lebenslauf (Bl. 38 f der Akte) als kaufmännischer Angestellter im Bereich Telekommunikation, danach als Call Center Agent bis 2011. Anschließend war er Vermögensverwalter von Grundstücken und Immobilen der eigenen Familie. Von 2014 bis 2017 pendelte er zwischen einer Beschäftigung im Wahlkreisbüro eines Mitgliedes des deutschen Bundetages und Arbeitslosigkeit. Ab 2017 war er bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen beschäftigt und arbeitete als Produktionshelfer in einem Unternehmen der technischen Keramik. Seit Januar 2021 war er wieder arbeitssuchend.
Die Beklagte produziert und vertreibt Modelle von PKW, LKW und öffentlichen Verkehrsmitteln im Maßstab 1:87 mit 100 bis 150 Einzelteilen. Die Beklagte schrieb mit undatierter Stellenausschreibung (Bl. 31 der Akte) bei der Bundesagentur für Arbeit die Stelle eines Bestückers für Digitaldruckmaschinen aus:
„Für unsere filigranen Automodelle im Maßstab 1/87 H0 suchen wir Mitarbeiter (m/w/d) für unsere Digitaldruckmaschine.
Die Teile müssen in die Maschine eingelegt und entnommen werden.
Anforderungen:
- Fingerfertigkeit/Geschick
- Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
- Zuverlässiges, sorgfältiges und konzentriertes Arbeiten
- Teamorientierung, Belastbarkeit und ausgeprägte Motivation
- Fachkenntnisse sind nicht zwingend notwendig Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!“
Die in der Ausschreibung genannten Teile sind sehr klein und müssen teilweise bei der Montage der Modelle mit Hilfe von Pinzetten positioniert werden. Die Stelle war für eine Vollzeitbeschäftigung vorgesehen und sollte mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden.
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 19.04.2021 (Bl. 8 der Akte). Mit E-Mail vom selben Tag sagte die Gesellschafterin und Prokuristin der Beklagten dem Kläger die Stelle ab:
„Sehr geehrter Herr D…, vielen Dank für Ihre Bewerbungsunterlagen.
Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen.
Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute.“
Der Kläger machte mit Schreiben vom 01.06.2021 (Bl. 9 f der Akte) Entschädigungsansprüche in Höhe von mindestens drei Monatsgehältern geltend. Am 02.06.2021 lud die Beklagte den Kläger per E-Mail zum Probearbeiten ein. Zu einer Probearbeit kam es aus verschiedenen Gründen nicht. Mit E-Mail vom 21.06.2021 teilte der Kläger mit, dass er nunmehr einen Arbeitsvertrag bei einer anderen Firma unterschrieben habe.
Am 23.06.2021 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Nürnberg Klage und beantragte die Verurteilung zur Zahlung einer Entschädigung von mindestens 8.000,- € brutto, die Feststellung der Unwirksamkeit der Ablehnung seiner Bewerbung sowie die Beschäftigung als Bestücker für Digitaldruckmaschinen. Nach teilweiser Klagrücknahme beantragte er zuletzt nur noch die Zahlung einer angemessenen Entschädigung, deren Höhe er in das Ermessen des Gerichtes stellte, mindestens jedoch 8.000,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.06.2020.
Die Beklagte machte erstinstanzlich geltend, der Kläger sei überqualifiziert gewesen. Ferner wären die Hände des Klägers nach den Bildern von ihm im Internet zu groß gewesen. Dies habe zur Absage geführt. Nachdem der Kläger aber nachhaltiges Interesse an der Tätigkeit signalisiert habe, sei er zum Probearbeiten eingeladen worden. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen. Mit der Formulierung „flinke Frauenhände“ seien nur die für die Tätigkeit erforderliche Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit umschrieben worden. Entsprechende Bewerbungen kämen zu etwa 80% von Frauen. Die Beklagte beschäftige auf entsprechenden Stellen auch Männer. Eine Benachteiligung wegen des Geschlechtes liege nicht vor.
Mit Urteil des Arbeitsgerichtes vom 10.01.2022 wurde die Beklagte zur Zahlung von 3.300,00 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Gericht wies zur Begründung darauf hin, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes vorliege. Die unterschiedliche Behandlung sei auch nicht zulässig wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung. Eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Entschädigungsverlangens sei nicht ersichtlich. Eine Entschädigung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern sei angemessen.
Das Urteil des Arbeitsgerichtes wurde der Beklagten am 25.03.2022 zugestellt. Sie legte am 25.04.2022 dagegen Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 27.06.2022 am gleichen Tag.
Die Beklagte macht in der Berufung geltend:
Eine Benachteiligung wegen des Geschlechtes liege nicht vor. Mit den „flinken Frauenhänden“ für die „kleinen, filigranen Teile“ sei es schlicht um die Größe der Hände gegangen. Für die Arbeit als Bestücker der Digitaldruckmaschinen seien kleine Hände und feingliedrige Finger maßgebliche Eigenschaften. Allenfalls hätte von dem Vorliegen von Indiztatsachen nach § 22 AGG ausgegangen werden dürfen mit der Möglichkeit der Führung des Gegenbeweises. Dazu sei erstinstanzlich ausreichend vorgetragen worden.
Die Gesamtumstände sprächen auch für ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Klägers. Nach eigener Aussage habe der Kläger zuletzt für 15,00 € brutto Stundenlohn gearbeitet. Bei der Beklagten hätte er nur den Mindestlohn verdient. Darüber hinaus sei das angestrebte Probearbeiten letztlich am Kläger gescheitert.
Jedenfalls sei die festgesetzte Entschädigung überhöht.
Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.01.2022, Aktenzeichen 3 Ca 2832/21 wird abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.01.2022, Az: 3 Ca 2832/21 wird kostenpflichtig abgewiesen.
Der Kläger trug in der Berufung vor:
Das Erstgericht habe das Absageschreiben zutreffend gewürdigt und festgestellt, dass „flinke Frauenhände“ keine geschlechtsneutrale Umschreibung für Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit seien, auch nicht im Kontext mit „sehr kleinen, filigranen Teilen“. Zu Recht habe das Erstgericht auch festgestellt, dass es nicht darauf ankomme, ob das Absageschreiben humorvoll oder salopp formuliert gewesen sei.
Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Die Beklagte habe auch keine entsprechenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt.
Die Höhe der Entschädigung sei angemessen.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2022 weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger über das Verfahren in den sozialen Medien umfangreich gepostet hat und sie sich einer vergleichsweisen Lösung nicht verschließt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 27.06.2022 und die Berufungserwiderung vom 23.08.2022.
Aus den Gründen
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2b ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO.
Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden nach § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
II. Die Berufung ist nur der Höhe nach, nicht dem Grunde nach begründet. Der Kläger hat Ansprüche gegen die Beklagte auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Auf die Berufung hin war die Höhe der Entschädigung festzusetzen auf 1,5 Bruttomonatsgehälter.
A. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigung.
Das Erstgericht ist insoweit mit sorgfältiger und zutreffender Begründung zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Das Gericht nimmt daher Bezug auf die sorgfältigen und richtigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führt das Gericht noch aus:
1. Die Berufung meint, aus der Formulierung mit den „flinken Frauenhänden“ lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger wegen seines männlichen Geschlechtes benachteiligt worden sei. Mit der Formulierung sei es darum gegangen, die Bedeutung kleiner Hände und feingliedriger Finger für die Arbeit als Bestücker der Digitaldruckmaschinen der Beklagten zu verdeutlichen.
Geht man zugunsten der Beklagten und gegen den eindeutigen Wortlaut des Absageschreibens davon aus, dass das Absageschreiben selbst noch keine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechtes zum Ausdruck bringt, so hat es doch jedenfalls den Charakter einer entsprechenden Indiztatsache nach § 22 AGG. Dies sieht auch die Beklagte ausweislich ihres Berufungsvorbringens, sodass dies neben dem Hinweis auf den klaren Wortlaut der Absage keiner weitergehenden Vertiefung bedarf.
a) Damit liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung wegen des Geschlechtes stattgefunden hat, bei der Beklagten. Die Beklagte muss hier den vollen Gegenbeweis führen, dass nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wurde.
b) Die Beklagte kann hier schon nicht ausreichend vortragen. Einer Beweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht. Die Beklagte macht geltend, bei der Internetrecherche über den Kläger auf Bilder gestoßen zu sein, die auch seine Hände zeigen würden. Daraus lässt sich jedoch nichts zur Fingerfertigkeit des Klägers ableiten. Zur Größe der Hände des Klägers lässt sich den zur Akte gereichten Bildern ebenfalls wenig entnehmen. Die Prokuristin der Beklagten hat dem Kläger auf Grund ihrer Lebenserfahrung, dass regelmäßig Frauen mit der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten eher zurechtkommen als Männer, abgesagt. Die persönliche Lebenserfahrung der Prokuristin hat damit im Ergebnis dazu geführt, dass sie ihm die Stelle absagte. Der Kläger wurde mithin im Bewerbungsverfahren wegen seines Geschlechtes benachteiligt. Die Gelegenheit, mittels Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten willens und in der Lage ist, wurde ihm nicht gegeben, eben weil er ein Mann war. Dieses Verhalten ist unmittelbar benachteiligend nach § 3 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales und verstößt damit gegen § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
c) Die Beklagte macht auch selber geltend, das Schreiben des Klägers mit der Geltendmachung einer Entschädigung in Höhe von wenigstens drei Monatsgehältern vom 01.06.2021 sei für sie der Anlass gewesen, den Kläger mit E-Mail vom 02.06.2021 zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch durch die Beklagte erscheint vor diesem Hintergrund eher der Vermeidung einer Entschädigungsklage geschuldet, nicht einem ehrlichen Interesse an der Arbeitskraft des Klägers. Auf die Gründe für die letztlich nicht durchgeführte Probearbeit kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
2. Die Berufung meint, die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des Entschädigungsbegehrens sei nicht hinreichend geklärt worden.
Dies ist unzutreffend. Das Erstgericht hat zu Recht die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Entschädigungsverlangens verneint.
a) Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber dem Entschädigungsverlangen des Bewerbers den Einwand des Rechtsmissbrauches nach § 242 BGB entgegenhalten. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern der Bewerber sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum ging, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den – rechtshindernden – Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht, BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 562/16 –, Rn. 47 f, zitiert nach juris.
b) Nach dem Sachverhalt liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers vor.
Die Berufung verweist darauf, dass das Bewerbungsschreiben nicht auf die ausgeschriebene Stelle bezogen sei.
Schon der Wortlaut der Bewerbung bestätigt diese Behauptung nicht. So bewirbt sich der Kläger nach der Überschrift in Fettdruck für die Position „Bestücker für Digitaldruckmaschinen“. Er richtet das Schreiben im Adressfeld wie in der Ausschreibung gefordert an eine konkrete Person und verweist auch im laufenden Text auf die konkrete bei der Agentur für Arbeit ausgeschriebene Stelle. Richtig ist ferner, dass das Bewerbungsschreiben im Übrigen zeigt, dass der Kläger regelhaft Gründe für seine unstete Erwerbsbiographie findet, die nichts mit ihm, sondern mit seinen jeweiligen Arbeitgebern zu tun haben. Ein fehlender Bezug zur ausgeschriebenen Stelle ergibt sich daraus nicht. In der Stellenausschreibung waren gefordert Fingerfertigkeit/Geschick, Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, zuverlässiges, sorgfältiges und konzentriertes Arbeiten, Teamorientierung, Belastbarkeit und ausgeprägte Motivation. Zu den Fachkenntnissen wurde darauf hingewiesen, dass diese nicht zwingend erforderlich seien. Vergleicht man diesen Anforderungskatalog mit dem Bewerbungsschreiben, so gilt:
Das Bewerbungsschreiben äußert sich nicht zu Fingerfertigkeit/Geschick des Klägers. Es bringt aber offensichtlich zum Ausdruck, dass der Kläger Deutschkenntnisse jedenfalls in Schrift hat und lässt inhaltlich den Schluss zu, dass es ihm auch nicht an Deutschkenntnissen im Wort fehlen könnte. Das Bewerbungsschreiben äußert sich ausdrücklich zu den weiteren Anforderungen und führt aus, dass sich der Kläger auszeichnet durch eine sorgfältige Arbeitsweise, großes Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit, Belastbarkeit und großer Freude an der Arbeit.
Die Berufung verweist ferner darauf, dass das Probearbeiten aus Gründen in der Sphäre des Klägers gescheitert sei. Im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf lässt sich daraus nicht ableiten, dass es dem Kläger von vorne herein nur auf eine Entschädigung ankam. Die Beklagte inserierte in korrekter geschlechtsneutraler Weise und suchte einen „Mitarbeiter (m/w/d)“. Der Kläger bewarb sich in korrekter Weise. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger sich auf die Stelle nur bewarb in der Hoffnung auf eine Absage, die die Beklagte in einen Konflikt mit einem der Benachteiligungsmerkmale des § 1 AGG bringen könnte, das beim Kläger vorliegt.
Dann erhielt er zuerst eine Absage mangels „flinker Frauenhände“ und die Einladung zum Vorstellungsgespräch erst nach seinem Geltendmachungsschreiben. Diese Möglichkeit zum Vorstellungsgespräch nahm er auch am 07.06.2021 wahr. Auch das zeigt nicht, dass es dem Kläger nicht um die Stelle, sondern nur um Entschädigung gegangen wäre.
B. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 2.500,00 €.
1. Für die Bemessung des Entschädigungsanspruches nach § 15 Abs. 2 AGG ist nach den Vorgaben des BAG, Urteil vom 28.05.2020 – 8 AZR 170/19 –, Rn. 19, zitiert nach juris, in materiell-rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen:
Der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kommt eine Doppelfunktion zu. Sie dient einerseits der vollen Schadenskompensation und andererseits der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss die Härte der Sanktionen der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Sie muss auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Eine rein symbolische Entschädigung wird den Erfordernissen einer wirksamen Umsetzung der Richtlinien nicht gerecht. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles, BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09 –, Rn. 69, zitiert nach juris. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Für den Sonderfall der Nichteinstellung ist dabei noch die Grenze des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zu beachten. Die Grenze des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist als Kappungsgrenze zu verstehen. Es ist in einem ersten Schritt die Höhe einer angemessenen und der Höhe nach nicht begrenzten Entschädigung für die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Benachteiligten zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist die so gefundene Entschädigung, wenn sie drei Monatsgehälter übersteigt, zu kappen, BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09 –, Rn. 66, zitiert nach juris, aktuell Urteil vom 19.12.2019 – 8 AZR 2/19 –, Rn. 78, zitiert nach juris.
2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht kann hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf § 22 AGG abgestellt werden. Die Regelung des § 22 AGG kommt dem Benachteiligten hier nicht zugute, in ständiger Rechtsprechung für den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG siehe BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 8 AZR 736/15 –, Rn. 48, zitiert nach juris. Für den Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG gilt dies in gleicher Weise. Der Benachteiligte trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität der Entscheidung des Gerichtes über die angemessene Entschädigung zugrunde zu legen sind.
3. Dagegen trägt der Arbeitgeber, der benachteiligt hat, die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegrenzenden Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG im Falle der Nichteinstellung, BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/19 –, Rn. 67, zitiert nach juris.
4. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung durch das Tatsachengericht sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu entfalten und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss, BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09 –, Rn. 69, zitiert nach juris.
5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus:
Die Benachteiligung bestand in einer Absage mit Bezug auf die Geschlechtlichkeit des Klägers. Die Benachteiligung war damit weder strukturell verfestigt noch von längerer Dauer. Entsprechende Indizien ergeben sich auch nicht aus der Akte.
Negative Folgen der Benachteiligung für den Kläger sind ebenfalls nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Der Kläger trägt selbst vor, dass er kurze Zeit nach der Absage einen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber unterschrieben hat. Unbestritten hat der Kläger auch schon selbst über die sozialen Medien über den Fall berichtet und das aus seiner Sicht Gebotene getan, um die Beklagte davon abzuhalten, weitere Absagen ähnlich zu begründen.
Unter Bewertung und Abwägung dieser und der weiteren Aspekte des vorliegenden Falles, hält das Gericht eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 € für angemessen. Dieser Betrag entspricht dem 1,5fachen des auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbaren Bruttomonatsentgelts. Damit wird der Kläger angemessen für den durch die unzulässige Benachteiligung wegen seines Geschlechtes erlittenen immateriellen Schaden entschädigt. Dieser Betrag ist erforderlich, aber auch ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung bei der Beklagten zu erzielen.
Angesichts der erfolgten Bemessung der Entschädigung auf 1,5 Bruttomonatsgehälter kommt es auf die Frage, ob die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG drei Monatsgehälter nicht übersteigen durfte, weil der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, nicht mehr an.
Zinsen waren ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.
C. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren zwischen den Parteien entsprechend dem Anteil ihres Obsiegens und Unterliegens zu teilen nach § 92 Abs. 1 ZPO.
D. Die Revision war nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.