LAG Niedersachen: Ausstrahlungswirkung des inländischen Betriebes auf im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer und Anwendbarkeit des BetrVG
LAG Niedersachsen, Urteil vom 9.11.2017 – 5 Sa 1006/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1532-1
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Amtlicher Leitsatz
Angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtungen, der Globalisierung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung, der zunehmenden Konzernstrukturen und Matrixstrukturen von Unternehmen müssen die Anforderungen, die an die Ausstrahlung eines inländischen Betriebes an einen ausländischen Arbeitnehmer gestellt werden, im Interesse eines effektiven Arbeitnehmerschutzes herabgesetzt werden.
§ 1 KSchG, § 102 BetrVG
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung.
Die Beklagte ist Teil der der X Gruppe, einem internationalen Konzern der Öl- und Erdgasindustrie. Während der Hauptsitz der X Gruppe im schottischen Aberdeen liegt, organisiert die Beklagte jedenfalls den gesamten europäischen Bohrbetrieb. Dies beinhaltet u.a. Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Einkauf und Personalmanagement für Europa. Die Beklagte führt einen einzigen Betrieb, nämlich in A-Stadt. Dort werden ständig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, es ist ein Betriebsrat gewählt worden.
Der gesamte Konzern ist weltweit im Bereich der Ölförderung tätig.
Der Kläger ist am 0.0.1956 geboren und seit dem 01.04.1978 bei der Beklagten oder deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Zuletzt war er ab Sommer 2015 in D. tätig und davor als Bohranlagenmanager aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.12.2013 in P. Dieser in englischer Sprache abgefasste Arbeitsvertrag ist hinsichtlich seiner Übersetzung - bis auf die Überschrift - zwischen den Parteien unstreitig. Er enthält auf Blatt 1 den Arbeitsort sowie die persönlichen Daten und auf Blatt 2 die Arbeitsvergütung in Höhe von 12.645,00 $ monatlich. Ziffer 1 des von der Beklagten vorformulierten Vertrages lautet wörtlich wie folgt:
„1. POSITION UND EINSATZORT
Der Mitarbeiter verpflichtet sich zur Erfüllung der für seine Position geforderten Aufgaben an dem Arbeitsort gemäß der Position entsprechenden Stellenbeschreibung. Der Mitarbeiter führt jedoch tageweise auch alle solche Aufgaben anderer Positionen aus, für die er möglicherweise von dem Unternehmen beauftragt wird, so dass das Unternehmen jegliche am Arbeitsort erforderlichen Arbeiten ausführen kann. Wird dem Mitarbeiter dauerhaft eine Position eines höheren oder niedrigeren Arbeitsentgeltes zugewiesen, erhält der Mitarbeiter die Vergütung entsprechend zum höheren oder niedrigeren Satz. Ferner kann das Unternehmen jederzeit mit vorherigen Mitteilung an den Mitarbeiter die Standorte für die Ausführung der Arbeiten ändern und den Mitarbeiter einem anderen Bohrort, einem anderen Arbeitsort, einer anderen Position oder einem verbundenen Unternehmen zuweisen. Wird der Mitarbeiter einem anderen Arbeitsort zugewiesen, erhält er die Vergütung, die für die an dem neuen Arbeitsort zugewiesene Position anzuwenden ist. Ansonsten bleiben die Beschäftigungsbedingungen von den hierin festgelegten Bedingungen ungeachtet der neuen Position oder dem neuen Arbeitsort unverändert.“
Wegen weiterer Einzelheiten dieses Vertrages wird, mit Ausnahme der Überschrift, deren Übersetzung streitig ist, auf die Anlage B21 zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.07.2017, Bl. 430 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Jedenfalls seit 1999 ist der Kläger durchgehend im Ausland tätig gewesen.
Möglicherweise abgesehen von dem Wechsel von P. nach D. lag einem Wechsel des Arbeitsortes schon seit Jahren ein von den Parteien unterzeichneter Arbeitsvertrag zugrunde.
Mit Schreiben vom 01.12.2015 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine fristgemäße Kündigung zum 31.07.2016 aus. Hierbei hörte sie den bei ihr gewählten Betriebsrat in A-Stadt nicht an.
Mit seiner vor dem Arbeitsgericht Lingen am 16.12.2015 erhobenen Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung zur Wehr gesetzt, die fehlende soziale Rechtfertigung sowie die fehlende Betriebsratsanhörung gerügt.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei dem in A-Stadt ansässigen Betrieb der Beklagten zuzurechnen. Hierzu hat er behauptet, Einsatzplanung, Krankmeldungen u. ä. ebenso wie inhaltliche und monetäre Fragen seien ausschließlich von der Beklagten in A-Stadt organisiert und geregelt worden. Das disziplinarische und fachliche Weisungsrecht der Beklagten sei von A-Stadt aus organisiert und ausgeübt worden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.12.2015, ihm am 01.12.2015 zugegangen, nicht zur 31.07.2016 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtswirksamkeit der Kündigung verteidigt und die Rechtsauffassung vertreten, der Kläger sei nicht dem in Deutschland ansässigen Betrieb zuzuordnen. Deswegen bedürfe es keine soziale Rechtfertigung und auch eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen. Sie hat die vom Kläger behauptete Eingliederung in ihren Betrieb bestritten. Vielmehr sei das disziplinarische und fachliche Weisungsrecht ihrerseits zugunsten von Weisungen durch das örtliche Konzernmanagement in den jeweiligen Einsatzländern des Klägers in den Hintergrund getreten. Er sei in den ausländischen Einrichtungen der X Gruppe eingegliedert gewesen, dort seien alle Funktionen einer Organisation vorhanden gewesen. Im Übrigen sei die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erforderlich gewesen. Denn die Erdöl- und Erdgasbranche befinde sich seit einiger Zeit im wirtschaftlichen Abschwung. Auftraggeber der Beklagten verschöben Investitionen und Aufträge oder setzten diese ganz aus.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, dort Blatt 2 bis 4 desselben, Blatt 259 bis 261 der Gerichtsakte, verwiesen.
Mit Urteil vom 11.08.2016 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei deswegen wirksam, weil sie weder einer sozialen Rechtfertigung bedurft hätte noch der in Deutschland ansässige Betriebsrat zu beteiligen gewesen sei. Der Kläger gehöre nicht dem in A-Stadt ansässigen Betrieb an. Entscheidende Kriterien seien insbesondere der sehr lange andauernde Auslandsaufenthalt sowie die fehlende Rückholmöglichkeit in das Inland aufgrund des Arbeitsvertrages vom 05.12.2013, wonach die Beklagte dem Kläger zwar eine andere im außereuropäischen Bohrbetrieb anfallende Tätigkeit zuweisen, ihn allerdings nicht nach Deutschland versetzen könne.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 01.09.2016 zugestellt worden. Mit einem am 26.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.12.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 27.09.2016 die Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum 31.12.2016 verlängert hatte.
Mit seiner Berufung verfolgt er in vollem Umfang das erstinstanzliche Ziel des Kündigungsschutzes weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er macht geltend, dass sein Auslandseinsatz den inländischen Betrieb gefördert habe und darüber hinaus die Leitungsmacht in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten weiterhin im Inland ausgeübt worden sei. Er behauptet, Disziplinarvorgesetzter sei der Geschäftsführer der Beklagten gewesen, der seine Geschäfte von dem Sitz der Beklagten in A-Stadt geführt habe. Auch vertritt er die Auffassung, er sei von der Beklagten an die X Ltd. ausgeliehen worden. Die Grundsätze der Arbeitnehmerüberlassung müssten Anwendung finden. Zu dem in englischer Sprache vorgelegten Arbeitsvertrag vom 05.12.2013 behauptet er, in der Überschrift tauche das Wort „ständig“ nicht auf.
Der Kläger beantragt:
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lingen vom 11.08.2015, Aktenzeichen 1 Ca 542/15 wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten durch schriftliche Kündigung der Beklagten vom 01.12.2015 nicht zum 31.07.2016 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie vertritt die Auffassung, der maßgebliche Arbeitsvertrag vom 05.12.2013 sehe keine Rückholmöglichkeit nach Deutschland vor, vielmehr sei er allein als Auslandsarbeitsvertrag auszulegen, was bereits die Überschrift „Arbeitsvertrag für turnusmäßig ständig im Ausland tätige Mitarbeiter“ nahelege. Der Kläger sei zu keiner Zeit in ihrem Betrieb in A-Stadt eingegliedert gewesen. Das disziplinarische Weisungsrecht habe der zuständige Leiter der Landesorganisation der X Gruppe in P. inne gehabt. Sämtliche Arbeitsanweisungen habe der Kläger vor Ort in P. und gerade nicht durch den Betrieb der Beklagten in A-Stadt erhalten. Er sei nicht an die X Ltd. ausgeliehen worden. Die Frage des Einsatzes, also in welchem Staat ein Mitarbeiter tätig werde, werde nicht aus A-Stadt, sondern aus D. oder A. gesteuert.
Wegen sämtlicher weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 29.12.2016, 06.03.2017, 04.07., 23.10., 26.10., 03.11., 06.11.2017 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2017 verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Wortlaut der Überschrift des in englischer Sprache formulierten schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.12.2013 durch Vernehmung eines Übersetzers. Wegen der genauen Einzelheiten der Beweisaufnahme wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2017 verwiesen.
Aus den Gründen
Die Berufung hat in vollem Umfang Erfolg.
A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils, zur Stattgabe der Klage und zur Zuerkennung des vom Kläger geltend gemachten Kündigungsschutzes. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche Kündigung vom 01.12.2015 nicht zum 31.07.2016 beendet worden. Denn die streitgegenständliche Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG rechtsunwirksam. Der im Betrieb der Beklagten gewählte Betriebsrat ist zu dieser Kündigung nicht angehört worden, obwohl er es hätte müssen. Der Kläger ist im betriebsverfassungsrechtlichen und im kündigungsschutzrechtlichen Sinne diesem Betrieb zugehörig.
Im Einzelnen:
I.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches Recht Anwendung. Dies haben die Parteien in Nr. 16 des Arbeitsvertrages vom 05.12.2013 wirksam vereinbart.
II.
Die Vereinbarung deutschen Rechts führt zwar zwingend zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes, nicht aber automatisch dazu, dass der persönliche Geltungsbereich des BetrVG schon dann eröffnet ist, wenn die Beklagte einen Betrieb führt, in dem ein Betriebsrat gewählt worden ist und die Parteien ein Arbeitsverhältnis verbindet. Vielmehr ist gerade auch bei einem im Ausland tätigen Arbeitnehmer die Zugehörigkeit dieses Arbeitnehmers zu dem in Deutschland gelegenen Betrieb festzustellen. Gegenteiliges hat die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts niemals entschieden. Vielmehr lässt sich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.1999 (2 AZR 648/97, Rn. 46) lediglich entnehmen, dass einzelfallbezogen unter ganz besonderen Voraussetzungen - die im vorliegenden Streitfall nicht zutreffen - eine Ausnahme in Erwägung gezogen wird.
III.
1. Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darüber, dass die Geltung deutschen Rechts an der deutschen Staatsgrenze endet. Das BetrVG gilt nach den sog. Territorialitätsprinzip nur für in Deutschland gelegene Betriebe (BAG, 07.12.1989 - 2 AZR 228/89 - Rn. 18). Dieses Prinzip des Betriebsverfassungsrechts ergibt sich aus der im BetrVG geregelten Materie. Denn das BetrVG greift tief in den organisatorischen Aufbau der Betriebe und die Befugnisse des Arbeitgebers ein. Außerdem ist die deutsche Betriebsverfassung mit der deutschen Wirtschaftsverfassung eng verknüpft. Die Betriebsverfassung stellt einen Teil allgemeiner Lebensordnung dar, in der die Bürger in Deutschland leben. Eine Regelung solcher Art muss sich schon ihrem Gegenstand nach auf Inlandsbetriebe beschränken (BAG 25.04.1978 - 6 ABR 1978 - Rn. 11).
Dagegen folgt nicht aus dem Territorialitätsprinzip des Betriebsverfassungsrechts, sondern aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG, dass grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer der Geltung des BetrVG unterfallen, die in inländischen Betrieben beschäftigt sind (BAG, 07.12.1989 - 2 AZR 228/89 - Rn. 19).
Von diesem Grundsatz ist für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer dann eine Ausnahme zu machen, wenn der inländische Betrieb auf diese Arbeitnehmer ausstrahlt. Es geht dabei nicht um eine Ausstrahlung des BetrVG in das Ausland, sondern um eine Ausstrahlung des inländischen Betriebes auf den im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer (BAG, 21.10.1980 - 6 AZR 640/79 - Rn. 24).
2. Welche Kriterien für diese allgemein anerkannte Ausstrahlung des inländischen Betriebes auf den im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer gelten, ist im Einzelnen durchaus streitig, dem Wandel der Zeit unterworfen und in der Rechtsprechung und Literatur im Fluss.
Zur Beurteilung dieser Ausstrahlungswirkung gelten für den persönlichen Geltungsbereich des KSchG und des BetrVG dieselben Maßstäbe. Denn für beide Gesetze gilt weitgehend ein einheitlicher Betriebsbegriff. Für §§ 1, 15, 17 KSchG wird weitgehend der Betriebsbegriff verwendet, den insbesondere das Betriebsverfassungsrecht geprägt hat (BAG, 03.06.2004 - 2 AZR 386/03 - Rn 27).
a) Ursprünglich einmal ist hierzu die Auffassung vertreten worden, dass ein einmaliger befristeter Auslandseinsatz keine Ausstrahlungswirkung entfalte, weil dieser so tätige Arbeitnehmer niemals dem Betrieb angehört habe (BAG, 21.10.1980 - 6 AZR 640/79 - Rn. 22). Die Ausstrahlung setzte voraus, dass der Arbeitnehmer nur vorübergehend in das Ausland entsandt worden sei, um danach wieder in den deutschen Betrieb zurückzukehren. Dieses treffe nicht zu, wenn er niemals im inländischen Betrieb tätig gewesen sei (BAG, a.a.O., Rn. 28).
b) Nach einer späteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 07.12.1989 - 2 AZR 228/89) sei ein wesentliches Kriterium die Dauer der Auslandstätigkeit. Eine Beziehung fehle, wenn die Arbeitnehmer dauerhaft im Ausland tätig seien. Für die Abgrenzung zwischen einem vorübergehenden und dauerhaften Auslandseinsatz gäbe es keine festen Kriterien (Rn. 20). Daneben seien auch die Möglichkeit den Arbeitnehmer in das Inland zurückzuholen, ebenso wie die Ausübung des Direktionsrechts wichtige Kriterien (Rn. 24, 32).
c) Nach moderneren Entscheidungen (LAG Rheinlandpfalz 19.08.2015 - 4 Sa 709/14 -; BAG, 19.07.2016 - 2 AZR 468/15) wird auf die Eingliederung in den inländischen Betrieb abgestellt, insbesondere darauf, ob die Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers dem Betriebszweck des inländischen Betriebes dient und er dem Direktionsrecht des inländischen Betriebsinhabers unterfällt (LAG Rheinlandpfalz a.a.O., Rn. 62; BAG a.a.O., Rn. 15).
Die moderne Literaturmeinung (GK-Franzen, 10. Aufl., § 1 Rn. 17; Fitting, 28. Aufl., § 1 Rn. 26) teilt diese Auffassung und stellt auf den Betriebszweck und das vom inländischen Betrieb ausgehende Weisungsrecht ab. Seien diesen Kriterien erfüllt, sei die fehlende tatsächliche Beziehung zur inländischen Belegschaften unschädlich.
IV.
1. Nach Auffassung der Berufungskammer ist folgender Maßstab zutreffend: Angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtungen, der Globalisierung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung, den zunehmenden Konzernstrukturen und Matrixstrukturen von Unternehmen müssen die Anforderungen, die an die Ausstrahlung eines inländischen Betriebes an einen ausländischen Arbeitnehmer gestellt werden, im Interesse eines effektiven Arbeitnehmerschutzes herabgesetzt werden. Denn die Vereinbarung der Anwendung des deutschen Rechts entzieht dem Arbeitnehmer den Schutz der ausländischen Rechtsordnung, wohingegen der persönliche Anwendungsbereich sowohl des KSchG als auch des BetrVG verneint werden und lediglich durch Formalien (Vollmacht, Schrifterfordernis, Einhaltung der Kündigungsfristen) oder durch Rechtsmissbrauch (§§ 242, 138 BGB) die Rechtswirksamkeit der Kündigung kontrolliert wird.
Die Dauer des Auslandeinsatzes darf keine entscheidende Rolle mehr spielen. Entscheidend ist einerseits, ob die Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers dem Betriebszweck des im Inland gelegenen Betriebes dient und darüber hinaus die Weisungsgebundenheit - wenn auch rudimentär - vorhanden ist. Hieran dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.
Bei der Bewertung eines derartigen Lebenssachverhaltes müssen einerseits die Konzernstrukturen beachtet werden und andererseits muss auch der Rechtsgedanke des § 14 AÜG in den Vordergrund treten. Nach dieser Norm bleibt ein in einem fremden Betrieb eingegliederter Arbeitnehmer weiterhin dem entsendenden Betrieb des Stammarbeitgebers zugehörig.
Eine Eingliederung in einen inländischen Betrieb lässt sich jedenfalls verneinen, wenn das inländische Unternehmen selbst im Ausland einen weiteren Betrieb führt, in den der Arbeitnehmer eingegliedert worden ist.
2. In Anwendung vorstehend aufgeführter Rechtsgrundsätze lässt sich die Zugehörigkeit des Klägers zu dem in A-Stadt gelegenen Betrieb bejahen:
a) Unstreitig führt die Beklagte lediglich einen Betrieb, nämlich den in Deutschland, in A-Stadt gelegenen Betrieb. Deshalb lässt sich „die Beklagte“ mit dem Betrieb in A-Stadt gleichsetzen. Eine Unterscheidung zwischen den Kategorien „Unternehmen“ und „Betrieb“ nimmt die Berufungskammer nicht vor. Sie übernimmt die grundsätzliche, auch im Betriebsverfassungsrecht vorgesehene Gleichsetzung von Unternehmer und Betrieb, wenn ein Unternehmer lediglich einen einzigen Betrieb führt.
Denn dem Unternehmensbegriff kommt dann eine eigenständige betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung zu, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebe bestehen (vgl. Fitting, 28. Aufl., § 1, Rn. 144), was bei der Beklagten nicht der Fall ist.
b) Die Auslandstätigkeit des Klägers dient dem Betriebszweck der Beklagten. Wenn auch die Beklagte in der Berufungsinstanz den Betriebszweck anders dargestellt hat als noch in erster Instanz (der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils enthält im unstreitigen Teil entsprechend dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten die Ausführungen, dass die Beklagte Teilbereiche des Landbohrbereiches, einschließlich des europäischen Bohrbetriebes organisiert), so lässt sich doch folgendes feststellen: Selbst wenn die Beklagte sich auf den europäischen Bohrbetrieb beschränkt und nicht den Landbohrbetrieb im außereuropäischen Ausland betreut, ist sie jedoch Teil eines internationalen Konzerns, der eben dies zur Aufgabe hat. Die Auslandstätigkeit des Klägers dient jedenfalls dazu, den übergeordneten Zweck des internationalen Konzerns zu fördern und damit erfüllt die Beklagte einen Hilfszweck, weil sie diese Tätigkeit durch Personalüberlassung unterstützt und fördert. Die Berufungskammer ist davon überzeugt, dass dieser Zweck, nämlich die Förderung des übergeordneten Konzernzwecks Teil des Betriebszweckes der Beklagten ist. Daran hat der Kläger teil.
c) Soweit es um das Weisungsrecht geht, wird dieses eindrucksvoll durch Ziffer 1 des vorformulierten Vertrages vom 05.12.2013 dokumentiert. Die Beklagte - insoweit auch der in Deutschland gelegene Betrieb der Beklagten - hat wenigstens auf Grundlage dieser Ziffer ein sehr weitgehendes, weltumspannendes Direktionsrecht. Nachdem Wortlaut dieser Klausel hat sie das Recht, die Einsatzorte des Klägers - wenigstens im Ausland - zu ändern. Die Klausel gibt der Beklagten das Recht, den Kläger etwas überspitzt formuliert, heute in der Karibik, morgen in Schwarzafrika, übermorgen auf der arabischen Halbinsel und einen Tag später in Zentralasien einzusetzen.
Hierbei berücksichtigt die Berufungskammer, dass sie dieses Direktionsrecht in der Vergangenheit erkennbar nicht ausgeübt hat, vielmehr die Einsatzorte konsensual durch Abschluss neuer Verträge festgelegt hat. Andererseits begibt sich kein Arbeitgeber seines Direktionsrechts durch Nichtausübung desselben. Ein Arbeitnehmer kann niemals darauf vertrauen, dass ein Arbeitgeber, der von seinem ihm vorbehaltenen Direktionsrecht keinen Gebrauch macht, es zukünftig nicht mehr tun wird. Ein Vertrauensschutz in Form einer Erwirkung findet nicht statt.
In diesem Zusammenhang brauchen auch nicht die konkreten Weisungsverhältnisse im Einzelnen untersucht zu werden. Selbst wenn es zutrifft, dass der Arbeitseinsatz von einer ausländischen Konzernorganisation oder aber von der Konzernspitze in Aberdeen gesteuert wird, dann können diese ausländischen Organisationen nicht originär kraft eigener Befugnisse gehandelt haben, sondern lediglich aufgrund eines abgeleiteten Weisungsrechts, welches unmittelbar in dem Arbeitsverhältnis der Parteien wurzelt (§ 106 GewO) und im Einzelnen durch den vorliegenden Vertrag geregelt wird.
d) Schlussendlich lässt sich die Betriebseingliederung auch nicht dadurch verneinen, weil möglicherweise, dies hat die Berufungskammer nicht aufgeklärt, der Kläger in eine im Ausland geführte Organisationseinheit, die in irgendeiner Weise im weitesten Sinne dem Konzern zugerechnet wird, eingegliedert worden ist. Denn eine solche Eingliederung, die im Übrigen in Ziffer 1 des Arbeitsvertrages erlaubt worden ist, entspricht inhaltlich dem Grundgedanken der Arbeitnehmerüberlassung: Die Beklagte überlässt den Kläger einer ausländischen Organisationseinheit, damit er dort nach Weisung der Vorgesetzten vor Ort tätig wird. Hier findet der aus § 14 AÜG abgeleitete Rechtsgrundsatz Anwendung, demzufolge diese Form des Zusammenwirkens von verbundenen Unternehmen den Stammarbeitgeber nicht von seiner betriebsverfassungsrechtlichen Verantwortung entbindet. Die Zuständigkeit des Vertragsarbeitgebers bleibt nach § 102 BetrVG für die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates auch weiterhin erhalten.
V.
Sollte man vorstehende Rechtsgrundsätze nicht teilen, die Berufungskammer ist sich bewusst, dass die bisherigen Rechtssätze des Bundesarbeitsgerichts nicht statisch angewendet, sondern gewissermaßen fortgeschrieben worden sind, dann lässt sich vorstehendes Ergebnis hilfsweise auch noch mit einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen: Die Auslegung des vorliegenden Arbeitsvertrages schließt eine Weisung des Beklagten des Inhaltes, dass der Kläger nach Deutschland in den in A-Stadt gelegenen Betrieb der Beklagten kommen und dort tätig werden muss, nicht aus.
1) Bei dem in Rede stehenden Vertrag handelt es sich ersichtlich um einen von der Beklagten vorformulierten Vertragstext, auf den die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB Anwendung finden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (statt vieler: 25.08.2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 19) sind vorformulierte Verträge als allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeit des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierender Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sichtweise der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Sollte nach Ausschöpfung der Auslegungsmethode ein nicht behebbarer Zweifel bestehen, geht dies gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse vertretbar erscheinen lässt und keins den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht.
2) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Rückholmöglichkeit in dem in Rede stehenden Arbeitsvertrag der Parteien nicht ausgeschlossen, vielmehr in dessen Nummer 1 enthalten. Der Wortlaut der Nummer 1 beschränkt die Festlegung des Arbeitsortes geografisch nicht. Eine Beschränkung auf das Ausland ist dort nicht vorgesehen.
Ein gegenteiliges Ergebnis lässt sich auch nicht aus den übrigen Vertragsbestandteilen herleiten. Der Überschrift des Vertrages ist keine besondere Bedeutung bei der Auslegung beizumessen, wobei nach durchgeführter Beweisaufnahme die Berufungskammer davon ausgeht, dass das Wörtchen „ständig“ gerade nicht im englischen Originaltext enthalten ist.
Sicherlich ist der Beklagten zuzugeben, dass der Arbeitsvertrag für einen Auslandseinsatz konzipiert worden ist. Dieses legen nicht nur die Überschrift, sondern auch die übrigen Vertragsbestimmungen nahe, die erkennbar gerade für einen Auslandseinsatz zugeschnitten sind.
Dieses Ergebnis schließt jedoch das Direktionsrecht der Beklagten im Sinne einer Rückholmöglichkeit in das Inland nicht aus. Erkennbar haben die Vertragsparteien nicht an einen Inlandseinsatz gedacht. Sollte jedoch ein Inlandseinsatz erforderlich werden, dann böte § 313 BGB, das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der Beklagten die Möglichkeit, die Konditionen des Arbeitsvertrages entsprechend den Gepflogenheiten des Inlandes anzupassen. Soweit es um die Vergütung geht, haben die Parteien erkennbar die Veränderung der Arbeitsvergütung bei Zuweisung eines anderen Arbeitsortes als Möglichkeit in Nummer 1 des Vertrages aufgenommen.
Auf das von der Beklagten geäußerte Argument, von einer derartigen Möglichkeit sei kein Gebrauch gemacht worden, ist bereits zuvor unter IV, 2 c eingegangen worden: Die fehlende Ausübung des Direktionsrechts in der Vergangenheit beseitigt dasselbe nicht.
Nach alledem musste die Berufung Erfolg haben.
C.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei vollständig die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gem. § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.