BAG: Auslegung einer Kündigungsschutzklage
BAG, Urteil vom 28.8.2008 - 2 AZR 279/07
Sachverhalt
Die Parteien streiten - ua. - über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die Klägerin war seit dem 1. Mai 1995 auf der Basis des mit dem „M e.V. L" abgeschlossenen „Dienstvertrages" als examinierte Krankenschwester im F-Krankenhaus L tätig. Für die Arbeitgeberin ist der Dienstvertrag ua. von dem Verwaltungsdirektor La unterzeichnet worden. Nach einer Weiterbildung wurde die Klägerin ab 1. September 1997 als Hygienefachkraft im F-Krankenhaus bestellt und arbeitete seit dem 1. August 2005 nur noch auf einer 75%-Stelle.
Mit einem vom Verwaltungsdirektor La unterschriebenen Schreiben vom 9. November 2005 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos gekündigt. Das Kündigungsschreiben weist im Kopf als Absender das „F-Krankenhaus L" aus. Es nimmt Bezug auf den „Dienstvertrag vom 28.04.1995". Am unteren Rand ist (klein) ein Hinweis enthalten „Träger: An-Stiftung".
Das F-Krankenhaus befindet sich in der Trägerschaft der An-Stiftung. Sie ist Rechtsnachfolgerin des M e.V..
Mit der am 16. November 2005 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung vom 9. November 2005 gewandt. In ihrer Klageschrift hat sie als Beklagte das „F-Krankenhaus L, vertreten durch den Verwaltungsdirektor La" angegeben. Der Klageschrift waren ua. der - ursprüngliche - Dienstvertrag mit dem M e.V., zwei Verdienstabrechnungen des „F-Krankenhauses" und das Kündigungsschreiben beigefügt. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 hat die Klägerin die Berichtigung des Passivrubrums in „An-Stiftung, vertreten durch die Vorsitzende des Stiftungsvorstandes, S L" beantragt. Den Antrag hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Beschluss vom 9. Januar 2006 zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 15. März 2006 zurückgewiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Klage habe sich von Anfang an gegen die beklagte Stiftung als Arbeitgeberin gerichtet. Daran habe kein Zweifel bestehen können. Im Übrigen sei das Krankenhaus auch parteifähig. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung liege nicht vor.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 9. November 2005 nicht beendet worden ist,
2.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 9. November 2005 hinaus fortbesteht,
3.
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung erstreckt.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt: Das in der Trägerschaft der An-Stiftung befindliche F-Krankenhaus sei als solches nicht parteifähig. Gegen die Stiftung als Arbeitgeberin sei die Kündigungsschutzklage verspätet erhoben worden. Eine Berichtigung des Passivrubrums komme nicht in Betracht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision (- 2 AZN 112/07 -) verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Aus den Gründen
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat ihre Kündigungsschutzklage fristgerecht gemäß § 4 KSchG gegen die beklagte Stiftung erhoben. Aufgrund fehlender Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht steht jedoch noch nicht fest, ob die außerordentliche Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam beendet hat.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im Wesentlichen angenommen, die Klage sei, soweit sie sich gegen das F-Krankenhaus richte, wegen fehlender Parteifähigkeit des Krankenhauses unzulässig. Die Klage sei auch unbegründet. Das in Anspruch genommene Krankenhaus sei nicht Arbeitgeberin der Klägerin. Das Passivrubrum sei nicht zu berichtigen gewesen. Bei Klageeingang sei weder aus der Klageschrift noch aus den Anlagen erkennbar gewesen, wer tatsächlich Arbeitgeber der Klägerin gewesen sei und gegen wen sich die Klage habe richten sollen. Dies sei in den beiden Rechtszügen weiter unklar geblieben. Die Klägerin habe ihre Kündigungsschutzklage eindeutig gegen das beklagte Krankenhaus gerichtet. Von einer Stiftung oder einem eingetragenen Verein als Arbeitgeber sei keine Rede gewesen. Zwar könnten sich für eine Arbeitgeberstellung der An-Stiftung Anhaltspunkte aus dem Kündigungsschreiben ergeben. Aus der Klage sei jedoch nicht klar geworden, wen die Klägerin habe in Anspruch nehmen wollen. Die Klägerin gehe offensichtlich von zwei möglichen Beklagten, dem Krankenhaus und der Stiftung, aus. Verklagt worden sei aber allein das F-Krankenhaus. Dies habe sie sogar im Berufungsverfahren ausdrücklich wiederholt. Sie habe ausgeführt, das verklagte Krankenhaus sei grundsätzlich parteifähig und könne deshalb verklagt werden. Deshalb könne die Klägerin auch nicht nachvollziehbar behaupten, sie habe die „richtige Beklagte" verklagen wollen.
B. Dem folgt der Senat nicht.
I. Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts richtete sich die Kündigungsschutzklage von vornherein gegen die An-Stiftung als Arbeitgeberin und Trägerin des F-Krankenhauses. Das Klagerubrum war deshalb entsprechend klar zu stellen. Die unrichtige Bezeichnung in der Klageschrift war unschädlich.
1. Die Parteien eines Prozesses sind vom Kläger in der Klageschrift zu bezeichnen. Ist eine Bezeichnung nicht eindeutig, so ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (so schon BGH 24. Januar 1952 - III ZR 196/50 - BGHZ 4, 328; BAG 27. November 2003 - 2 AZR 692/02 - BAGE 109, 47; 12. Februar 2004 - 2 AZR 136/03 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 50 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 66; 21. September 2006 - 2 AZR 573/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 58 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 75; zuletzt 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76) . Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Entscheidend ist die Wahrung der rechtlichen Identität. Bleibt die Partei nicht dieselbe, liegt keine „Berichtigung" vor, sondern es wird im Wege der Parteiänderung eine andere Partei in den Prozess eingeführt. Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung ist hingegen unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen richtig gestellt werden (BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 61; 21. Februar 2002 - 2 AZR 55/01 - EzA KSchG § 4 nF Nr. 63; 21. September 2006 - 2 AZR 573/06 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - aaO) .
2. Ergibt sich in einem Kündigungsschutzprozess aus den gesamten erkennbaren Umständen, etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, ist die Berichtigung des Rubrums regelmäßig möglich (vgl. bspw. BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 55/01 - EzA KSchG § 4 nF Nr. 63; 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76) . Dies gilt etwa dann, wenn sich aus der Klageschrift oder den beigefügten Unterlagen entnehmen lässt, dass die Trägerin einer bestimmten Einrichtung als Arbeitgeberin gekündigt hat und der Arbeitnehmer mit seiner Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung seiner Arbeitgeberin vorgehen will. Für die Auslegung, dass der Arbeitnehmer nicht gegen seinen Arbeitgeber, sondern gegen eine andere - insbesondere eine gar nicht parteifähige - Einrichtung, die keine Arbeitgeberstellung hat und deshalb auch nicht gekündigt hat, mit einer Kündigungsschutzklage vorgehen will, bedarf es besonderer Anhaltspunkte. Das rechtfertigt sich umso mehr, als es die durch das Grundgesetz gewährleisteten Verfassungsgarantien verbieten, den Zugang zu den Gerichten in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Dementsprechend darf eine Klageerhebung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien scheitern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (vgl. insbes. BVerfG 9. August 1991 - 1 BvR 630/91 - NJW 1991, 3140) .
Das Revisionsgericht hat die in der Klageschrift enthaltene Parteibezeichnung als prozessuale Willenserklärung selbst auszulegen (BGH 4. Juni 1981 - VII ZR 174/80 - WM 1981, 829; BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76) . Hierbei kommt es darauf an, welcher Sinn dieser prozessualen Willenserklärung aus objektiver Sicht beizulegen ist. Bei äußerlich unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Parteibezeichnung nach deren objektivem Sinn betroffen werden soll. Entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat (BGH 15. Mai 2006 - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569) . Hierbei ist das tatsächliche Vorbringen der Klagepartei zugrunde zu legen, auf deren Rechtsauffassung kommt es nicht an (so schon Reichsgericht 25. Mai 1938 - II 165/37 - RGZ 157, 369; BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76) . Ergibt sich hier aus dem Gesamtzusammenhang der Prozesserklärung der Klägerin, wer als Partei gemeint ist, so schadet es nicht, dass die Klägerin im Prozess zunächst auch die Ansicht vertritt, die beklagte Partei könne - so wie hier geschehen - bezeichnet werden, und sich nur hilfsweise auf das Erfordernis einer Rubrumsklarstellung und -berichtigung beruft (vgl. insbes. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - aaO) .
3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage von vornherein ihre Arbeitgeberin, dh. die An-Stiftung als Trägerin des F-Krankenhauses verklagen wollte und verklagt hat. Das Beklagtenrubrum war dementsprechend zu berichtigen.
a) Es handelt sich um eine Kündigungsschutzklage, die jedenfalls unter den gegebenen Umständen von der Klägerin sinnvoll nur gegen ihren richtigen Arbeitgeber gerichtet werden konnte. Dieser Kündigungsschutzklage war das Kündigungsschreiben beigefügt, aus dem sich ergibt, gegen wessen Kündigung, nämlich die Kündigung des Trägers des F-Krankenhauses, sich die Klägerin wenden wollte. Irgendwelche Aspekte, die auf einen Willen schließen ließen, die Klägerin habe anstatt ihrer Arbeitgeberin, die gekündigt hatte, eine andere, nicht existente Partei mit einer Kündigungsschutzklage überziehen wollen, sind nicht erkennbar.
b) Auch das Prozessverhalten der Klägerin bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine abweichende Bewertung. Insbesondere kann aus dem Vorbringen der Klägerin im Prozess, das F-Krankenhaus sei ggf. als „privates Krankenhaus" und Gewerbebetrieb parteifähig, nicht geschlossen werden, sie habe nur das - nicht parteifähige - Krankenhaus, und auf keinen Fall den wahren Träger und Arbeitgeber verklagen wollen (vgl. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76) .
c) Schließlich kommt auch dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 15. März 2006 die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Ablehnung der Berichtigung endgültig zurückgewiesen hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. hierzu BAG 27. November 2003 - 2 AZR 692/02 - BAGE 109, 47) .
II. Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Standpunkt konsequent - sich nicht mit der Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der Beklagten auseinandergesetzt. Es hat hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nach der Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 ZPO) nachzuholen haben.