BAG: Arbeitnehmerstatus eines Organisators und Dirigenten
BAG , Urteil vom 20.01.2010 - Aktenzeichen 5 AZR 99/09 (Vorinstanz: LAG München vom 25.11.2008 - Aktenzeichen 8 Sa 243/08; ) (Vorinstanz: ArbG München vom 24.01.2008 - Aktenzeichen 33b Ca 43/07 G; ) | ||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB § 611; TzBfG § 17;
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Es ist Aufgabe von Herrn H., die engagierten Musiker/Musikgruppen zu entlohnen und alle gesetzlichen und steuerlichen Verpflichtungen gegenüber diesen zu erfüllen. Zwischen dem Markt G. und den Mitgliedern der einzelnen Musikgruppen bestehen keine Rechtsbeziehungen. Herr H. stellt den Markt G. von allen Ansprüchen frei, welche diese Musiker/Musikgruppen geltend machen sollten. |
In dringenden Fällen ist Herr H. berechtigt, in Absprache mit dem Markt mit einer anderen Besetzung als vorgesehen aufzutreten. |
Diese Änderungen dürfen jedoch nicht zu Lasten der og. Häufigkeiten der Veranstaltungen pro Kategorie gehen. |
Der Gesamtspielplan ist dem Markt bis spätestens 1. März der jeweiligen Spielsaison vorzulegen. |
§ 4 Spielorte |
Grundsätzlich finden die Veranstaltungen im Rahmen dieser Vereinbarung - soweit es die Wetterbedingungen zulassen - im Kurpark G. statt. Als Schlechtwetteralternative wird Herrn H. ein entsprechender Raum zur Verfügung gestellt. |
Der Markt hat das Recht, Spielorte innerhalb des Ortsbereiches G. nach rechtzeitiger vorheriger Abstimmung zu verlegen. |
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§ 5 Spielzeiten/Ablauf |
Jede Veranstaltung ist mit 90 Minuten angesetzt (Ausnahmen hierzu gestattet § 4 Abs. 2 und 3). |
An einem Tag in der Woche, und zwar in der Regel am Freitag, finden keine Konzerte (Konzert der Musikkapelle G.) statt. Ebenso spielfrei ist der Mittwochabend (Konzert der Musikkapelle P.). |
Bei Nachmittags- und Abendkonzerten ist jeweils eine Pause vorgesehen, die jedoch fünfzehn Minuten nicht überschreiten darf. Die Zeit zwischen den einzelnen Darbietungen während des Konzertes soll im Normalfall nicht mehr als zwei Minuten betragen. |
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§ 6 Programmzusammenstellung |
Die Zusammenstellung des Programms für die 'Live-Musik im Kurpark G.' obliegt Herrn H. Er wird dabei dem Charakter des Heilklimatischen Kurortes G. und den Wünschen des Marktes Rechnung tragen, ebenso den saisonalen Besonderheiten. |
§ 7 Proben |
Notwendige Probenzeiten, Proben- sowie Garderobenräume und ein Büroraum sind jeweils mit dem Markt zu vereinbaren. |
§ 8 Leistungsumfang von Herrn H. |
Als Gesamtverantwortlicher für die Durchführung der musikalischen Unterhaltung im Kurpark G. (§ 3) übernimmt Herr H. folgende Aufgaben auf selbständiger Basis: |
- Organisation der Musikgruppen |
- Abrechnung der Musikgruppen |
- Erstellung eines wöchentlichen bzw. monatlichen Werbe-Flyers (in Absprache mit G. Tourismus); die Verteilung wird von G. Tourismus übernommen |
- Information der lokalen Presse (in Abstimmung mit G. Tourismus) |
- Auf- und Abbau der Ton- und Lichtanlage (Transport wird von G. Tourismus übernommen) |
- Mischung der PA-Anlage der verschiedenen Musikgruppen |
§ 9 Programmänderungen/Ausfall von Veranstaltungen |
Besetzungsänderungen bzw. Änderungswünsche i.S.v. § 3 sind dem Markt unverzüglich bekanntzugeben. Diese Mitteilungspflicht gilt für den Markt analog. |
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§ 10 Abrechnung/GEMA |
Nach Abschluss der Spielzeiten 2005 und 2006 hat Herr H. bis jeweils spätestens 31.12. dem Rechnungsprüfungsamt des Marktes eine detaillierte Abrechnung mit Originalbelegen vorzulegen, aus der sämtliche EinzelAusgaben und -Einnahmen ersichtlich sind. ..." |
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister B, |
am 14. Februar 2006 habe ich einen Antrag auf Vertragsverlängerung gestellt. In Ihrem Schreiben vom 18. Juli 2006 haben Sie mir mitgeteilt, dass eine Ausschreibung für die kommenden Kurmusik-Saisonen zwingend notwendig ist. |
Bitte nehmen Sie bei der Terminierung der Ausschreibung Rücksicht auf meinen Auslandsaufenthalt, der schon vor vielen Monaten der Tourismus-Direktion mitgeteilt wurde. |
Zuerst habe ich eine vertragliche Zusicherung an die Deutsche Bundeswehr gegeben, das Oktoberfest auf der A in N zu spielen. |
Abwesenheit: 14. September bis 27. September. |
Es spielt die Musikkapelle G. |
Dann gibt es ein großes Stadtfest in B, an dem die Musikkapelle und das Z-Trio teilnehmen wird. |
Termin: 28. September bis 9. Oktober. |
Zuletzt dann spielt die Zmusik wieder auf dem Oktoberfest in L und auf dem Oktoberfest in Q. |
Abwesenheit: 16. Oktober bis 13. November. |
... |
Da auch meine Post in dieser Zeit nicht geöffnet wird und ich leider auch telefonisch nur in Notfällen erreichbar bin, bitte ich, die geplante Ausschreibung nicht in der Zeit vor dem 13. November vorzunehmen. ..." |
Am 20. Dezember 2006 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. | RN 4 |
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger beantragt | RN 6 |
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 15. September 2006 hinaus fortbesteht. |
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht; |
hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 15. September 2006 hinaus fortbesteht. |
Entscheidungsgründe: |
II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. | RN 10 |
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte allgemeine Statusfeststellungsklage (§ 256 ZPO) ist unzulässig. Die mit der erneuten Stellung des allgemeinen Feststellungsantrags in der Revisionsinstanz verbundene Klageänderung ist unzulässig. Der neu formulierte, auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses der Parteien gerichtete Hauptantrag ist von der Befristungskontrollklage, wie sie am Landesarbeitsgericht ausschließlich Gegenstand des Rechtsstreits war und mit dem neuen Hilfsantrag weiterverfolgt wird, zu unterscheiden (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - BAGE 106, 72). Eine derartige Klageänderung ist in der Revisionsinstanz wegen § 559 Abs. 1 ZPO nicht mehr möglich. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht (st. Rspr., BAG 8. September 1971 - 4 AZR 405/70 - AP BAT §§ 22, 23 Nr. 46; 28. Juni 2005 - 1 ABR 25/04 - BAGE 115, 165). | RN 11 |
a) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (Senat 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15; 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10; 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 117 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 6). | RN 13 |
aa) Der Kläger hatte die vertraglich geschuldete Leistung nicht in Person zu erbringen, sondern schuldete die Durchführung der musikalischen Veranstaltungen als Ganzes und nicht nur die Tätigkeit eines Dirigenten. Dazu musste er Musiker auswählen, engagieren, zur Verfügung stellen, entlohnen und die gesetzlichen Abgaben leisten. Die Arbeitsbedingungen konnte er selbständig mit den Musikern aushandeln. Im Verhältnis zu diesen war er Arbeitgeber. Es war seine Aufgabe, die Musiker einzuweisen, die notwendigen Proben selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen und für die Durchführung der Veranstaltungen zu sorgen. Dies sind wesentliche Merkmale selbständiger Arbeit (vgl. Senat 12. Dezember 2001 - 5 AZR 253/00 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 87; 16. Juli 1997 - 5 AZR 312/96 - BAGE 86, 170). Für diese Tätigkeit erhielt der Kläger zuletzt eine Gesamtvergütung von 180.000,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Für die Statusbeurteilung ist es unerheblich, welche Kalkulation diesem Betrag zugrunde lag und ob der Beklagte im Falle tariflicher Vergütungserhöhungen Beträge nachgeschossen hat oder weitere Aufwendungen ersetzte. | RN 15 |
Des Weiteren spricht für die Selbständigkeit des Klägers seine Berechtigung, andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten zu entfalten (vgl. Senat 12. Dezember 2001 - 5 AZR 253/00 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 87). Der Kläger war für andere Auftraggeber ua. im Ausland tätig. | RN 16 |
bb) Der Kläger begründete keine mittelbaren Arbeitsverhältnisse der Musiker zum Beklagten. Weil der Kläger die geschuldeten Dienstleistungen nicht allein erbringen konnte, stellte er im eigenen Namen und für eigene Rechnung von ihm frei ausgewählte Arbeitskräfte ein, denen er allein weisungsberechtigt war. Rechtsbeziehungen der von ihm beschäftigten Arbeitskräfte zum Beklagten entstanden nicht (vgl. Senat 12. Dezember 2001 - 5 AZR 253/00 - mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 111 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 87). Der Beklagte hat keine konkreten Weisungen zur Einstellung von Arbeitnehmern erteilt. Er hat auch kein Weisungsrecht gegenüber den vom Kläger eingestellten Beschäftigten ausgeübt. | RN 17 |
gg) Schließlich belegt die Tatsache, dass die Parteien über lange Zeit zusammenarbeiteten, keine persönliche Abhängigkeit des Klägers vom Beklagten. Allein die wirtschaftliche Abhängigkeit vermag kein Arbeitsverhältnis zu begründen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG; Senat 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 53 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 38). | RN 22 |
3. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Senat 20. August 2003 - 5 AZR 362/02 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 245) zutreffend erkannt, dass die dreiwöchige Klagefrist des § 17 TzBfG auch dann anläuft, wenn der Arbeitnehmerstatus während eines befristeten Rechtsverhältnisses nicht abschließend geklärt ist. | RN 23 |
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. | RN 24 |