BAG: Antragsauslegung - Prozesskostenhilfeantrag ohne sachliche Begründung
BAG, Urteil vom 5.7.2016 – 8 AZB 1/16
ECLI:DE:BAG:2016:050716.B.8AZB1.16.0
Volltext: BB-ONLINE BBL2016-2100-6
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Orientierungssatz
Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Berufung erfüllt auch dann die sachlichen Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Antrag, wenn er eine sachliche Begründung nicht enthält. Der Antragsteller muss auch nicht zumindest in Grundzügen aufzeigen, weshalb die Entscheidung des Arbeitsgerichts der Anfechtung unterliegen soll bzw. woraus sich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ableiten lässt.
Sachverhalt
I. Mit seiner vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf rückständige Vergütung für Mehrarbeit aus den Jahren 2011 bis 2014 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 19. Mai 2015 (- 3 Ca 624/15 -) antragsgemäß für die erste Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. Mit Urteil vom 26. Juni 2015 (- 3 Ca 624/15 -), das dem Kläger am 23. Juli 2015 zugestellt wurde, wies es die Klage ab.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. August 2015, der per Telefax am 20. August 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, legte der Kläger „im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens Berufung“ gegen das arbeitsgerichtliche Urteil ein, beantragte, „dem Kläger und Berufungskläger für das durchzuführende Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen“ und bat unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 2. November 1955 (- 1 AZR 285/55 -) darum, „die Berufung erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe in den Geschäftseingang zu nehmen“. Das Original des Schriftsatzes vom 19. August 2015, dem eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt war, ging am 21. August 2015 beim Landesarbeitsgericht ein.
Mit Schreiben vom 28. August 2015 wies der Vorsitzende der mit der Sache befassten Vierten Kammer des Landesarbeitsgerichts den Kläger darauf hin, dass der Prozesskostenhilfeantrag insoweit unklar sei, als ihm nicht hinreichend deutlich entnommen werden könne, ob Prozesskostenhilfe für eine später noch einzulegende Berufung beantragt oder ob bereits unbedingt Berufung eingelegt wurde. Zugleich wurde der Kläger auf die Entscheidung der Vierten Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 23. März 2010 (- 4 Sa 101/10 -) hingewiesen, wonach ein Prozesskostenhilfeantrag auch im Berufungsverfahren dann zurückzuweisen ist, wenn in dem Antrag nicht gemäß § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Grundzügen aufgezeigt wurde, weshalb die Entscheidung der Vorinstanz der Anfechtung unterliegen soll. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9. September2015 reichte der Kläger sodann zur Begründung seines Prozesskostenhilfeantrags „die nachfolgende Berufungsbegründung“ ein. Mit weiterem anwaltlichen Schriftsatz vom 10. September 2015 trug er ergänzend vor, dass die Berufung nicht unbedingt eingelegt wurde, sondern „lediglich als Prozesskostenhilfeantrag“.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 (- 4 Sa 848/15 -), der dem Kläger am 6. Januar 2016 zugestellt wurde, wies das Landesarbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurück. Zur Begründung führte es aus, der Prozesskostenhilfeantrag habe keine hinreichende Erfolgsaussicht, da der Kläger nicht innerhalb der Berufungsfrist Berufung eingelegt habe und ein grundsätzlich für den Fall der Mittellosigkeit in Betracht kommender Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg haben könne. Der Kläger habe entgegen § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Berufungsfrist zumindest in Grundzügen aufgezeigt, weshalb die Entscheidung der Vorinstanz der Anfechtung unterliegen solle und woraus sich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ableiten lasse. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, die am 12. Januar 2016 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen ist.
Aus den Gründen
5 II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
6 1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerde wurde innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses (§ 78 Satz 1 ArbGG, § 575 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO) eingelegt. Sie wurde - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - auch ordnungsgemäß iSv. § 575 Abs. 3 ZPO begründet, insbesondere enthält die Beschwerdeschrift den nach § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlichen Rechtsbeschwerdeantrag. Der Kläger hat in der Rechtsbeschwerde ausgeführt, dass er unter „Abänderung“ des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 15. Dezember 2015 (- 4 Sa 848/15 -) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.
7 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht zurückgewiesen werden.
8 a) Allerdings ist die Auslegung des Prozesskostenhilfeantrags des Klägers durch das Berufungsgericht dahin, dass der Kläger lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stellen und nicht zugleich Berufung einlegen wollte, nicht zu beanstanden.
9 aa) Das Rechtsbeschwerdegericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind prozessuale Willenserklärungen so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 416/14 - Rn. 18; 2. September 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 34; 15. Mai 2013 - 7 AZR 665/11 - Rn. 32, BAGE 145, 142; 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 11 f., BAGE 133, 28; BGH 12. April 2016 - VI ZB 63/14 - Rn. 11 mwN).
10 bb) Die Auslegung ergibt, dass der Kläger lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt und nicht zugleich Berufung eingelegt hat, er demnach Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Berufung beantragt hat.
11 Zwar heißt es eingangs des Schriftsatzes des Klägers vom 19. August 2015: „legen wir … Berufung … ein“; auch wird in dem Schriftsatz von dem „Kläger und Berufungskläger“ gesprochen; jedoch wird mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehoben, dass die Antragstellung nur „im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens“ erfolgt; zudem wird Prozesskostenhilfe ausdrücklich zukunftsbezogen für „das durchzuführende Berufungsverfahren“ beantragt. Diese Auslegung wird durch den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 10. September 2015 bestätigt, in dem dieser ausdrücklich ausführt, dass die Berufung nicht unbedingt eingelegt wurde, sondern lediglich als Prozesskostenhilfeantrag.
12 Vor diesem Hintergrund folgt auch aus der Inbezugnahme des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 2. November 1955 (- 1 AZR 285/55 -) durch den Kläger nichts Abweichendes. Der Antrag des Klägers ließ sich vorliegend nicht dahin auslegen, dass er unbedingt Berufung eingelegt und sich vorbehalten hatte, diese im Fall der Ablehnung seines Prozesskostenhilfegesuchs zurückzunehmen (vgl. hierzu etwa BGH 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - zu II 1 b der Gründe). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Antragsschriftsatz vom 19. August 2015 - anders als dies in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 2. November 1955 (- 1 AZR 285/55 -) entschiedenen Verfahren der Fall war - nicht darum gebeten, die Berufung erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe „in den Geschäftsgang“, sondern sie „in den Geschäftseingang“ zu nehmen. Auch damit hat der Kläger hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass eine Berufung noch nicht eingelegt war.
13 Ohne Belang ist auch, dass in der Rechtsbeschwerdeschrift auf der einen Seite ausgeführt wird, die Berufung sei „innerhalb der Berufungseinlegungsfrist rechtzeitig“ beim Landesarbeitsgericht eingegangen, auf der anderen Seite aber darauf hingewiesen wird, dem Kläger habe das Kostenrisiko einer unbedingt eingelegten Berufung erspart werden sollen. Denn entscheidend für die Auslegung ist allein der objektive Erklärungswert, wie er dem Landesarbeitsgericht innerhalb der ablaufenden Berufungsfrist erkennbar war (vgl. etwa BGH 7. März 2012 - XII ZB 421/11 - Rn. 19).
14 cc) Allerdings wird der Kläger zu beachten haben, dass eine bedürftige Prozesspartei, die eine gegen sie ergangene Entscheidung mit der Berufung angreifen will, sich zwar darauf beschränken kann, innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen beim Prozessgericht einzureichen und die Berufungseinlegung bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückzustellen. Ist dies geschehen, muss das Berufungsgericht zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden. Wird über den Antrag nach Ablauf der Berufungsfrist entschieden, ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in die versäumte Frist aber nur dann zu gewähren, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird oder - im Falle ihrer Versagung - der Antragsteller vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste und die versäumte Prozesshandlung - hier: die Einlegung der Berufung - innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO), die regelmäßig nicht vor der Bekanntgabe der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu laufen beginnt, nachgeholt wird (vgl. etwa BGH 5. Februar 2013 - VIII ZB 38/12 - Rn. 10; vgl. auch BAG 22. November 1968 - 1 AZB 31/68 - zu II 2 der Gründe).
15 b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts durfte das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, ein für den Fall der Mittelosigkeit möglicher Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Berufung könne keinen Erfolg haben, da der Kläger entgegen § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht innerhalb der Berufungsfrist zumindest in Grundzügen aufgezeigt habe, weshalb die Entscheidung der Vorinstanz der Anfechtung unterliegen solle und woraus sich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ableiten lasse. Der Kläger hatte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt und diesem Antrag die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt. Damit hatte er alles Erforderliche getan, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden konnte. Einer sachlichen Begründung seines Antrags bedurfte es nicht (offengelassen von BAG 24. August 2010 - 3 AZB 13/10 - Rn. 13).
16 aa) Zwar ist eine sachliche Begründung des für eine beabsichtigte Berufung angebrachten Prozesskostenhilfegesuchs zweckmäßig und erwünscht. Eine solche Begründung kann jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen von der mittellosen Partei nicht verlangt werden (grundlegend BGH 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - zu II 2 der Gründe; vgl. auch 6. Dezember 2000 - XII ZB 193/00 - zu II 2 der Gründe; 18. Oktober 2000 - IV ZB 9/00 - zu II der Gründe). Ein Zwang zur Begründung eines in der Berufungsinstanz angebrachten Prozesskostenhilfegesuchs wäre mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit von bemittelten und mittellosen Parteien nicht zu vereinbaren (BGH 8. Mai 2007 - VIII ZB 113/06 - Rn. 12; 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - aaO). Dies gilt unabhängig davon, ob der Prozesskostenhilfeantrag von einer durch einen Prozessbevollmächtigten vertretenen Partei oder von der Partei selbst gestellt wird.
17 (1) Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (ua. BVerfG 15. Oktober 2015 - 1 BvR 1790/13 - Rn. 19; 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - zu C I 1 der Gründe mwN, BVerfGE 81, 347). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern nur zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 Satz 1 ZPO, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Danach darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - zu C I 2 b der Gründe, aaO). Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, hat das Gericht unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt von Amts wegen zu prüfen (vgl. etwa BVerfG 20. März 2000 - 1 BvR 69/00, 1 BvR 70/00, 1 BvR 71/00, 1 BvR 101/00, 1 BvR 102/00 - zu II 2 a bb der Gründe; vgl. für die Nichtzulassungsbeschwerde: BGH 25. Oktober 2011 - X ZR 3/11 - Rn. 11 mwN; 29. Januar 2009 - VII ZR 187/08 - Rn. 11, BGHZ 179, 315).
18 (2) Da eine bedürftige Partei nicht über die Mittel verfügt, um einen Rechtsanwalt zu konsultieren, würde sie gegenüber einer bemittelten Partei benachteiligt, wenn der Erfolg ihres Prozesskostenhilfegesuchs von einer Stellungnahme zu Fragen abhängig gemacht würde, deren sachgerechte Beantwortung juristische Sachkunde erfordert, wie dies im Hinblick auf ein Rechtsmittel regelmäßig der Fall ist. Findet eine solche Partei einen Prozessbevollmächtigten für die Stellung eines isolierten Prozesskostenhilfeantrags, dann kann von dem zur Vertretung bereiten Anwalt regelmäßig nicht erwartet werden, dass er ohne Kostenvorschuss und vor einer gerade erst beantragten Beiordnung eine umfassende Sach- und Rechtsprüfung vornimmt. Im Übrigen läuft die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts darauf hinaus, dass eine mittellose Partei innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung eine, wenn auch überschlägige Prüfung der Aussichten des beabsichtigten Rechtsmittels vornehmen müsste, während der bemittelten Partei zur Begründung der Berufung eine Frist von mindestens einem weiteren Monat zur Verfügung steht, die auf Antrag verlängert werden kann (so grundlegend BGH 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - zu II 2 der Gründe).
19 bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten folgt aus § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO nichts Abweichendes. Zwar muss nach dieser Bestimmung in dem Prozesskostenhilfeantrag das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel dargestellt werden. Wird jedoch - wie hier - Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung beantragt und wird das Gesuch nicht näher begründet, ergibt sich das Streitverhältnis einschließlich der Beweismittel ohne Weiteres aus der erstinstanzlichen Entscheidung und den Gerichtsakten. Wird darüber hinaus - wie hier - Prozesskostenhilfe uneingeschränkt beantragt, kann das Berufungsgericht aus diesem Umstand zudem entnehmen, dass das erstinstanzliche Urteil auf der Grundlage des bisherigen Streitstandes im Rahmen der jeweiligen Beschwer zur Überprüfung gestellt wird (vgl. BGH 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - zu II 2 der Gründe). In einem solchen Fall besteht regelmäßig kein begründeter Anlass zu der Annahme, einzelne Streitpunkte sollten als endgültig bereinigt behandelt werden. Dann ist das Berufungsgericht in der Lage und gehalten, auf der Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung und der Gerichtsakten im Wege einer zwar nicht erschöpfenden, aber doch eingehenden Prüfung des gestellten Antrags die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu beurteilen (vgl. etwa BGH 6. Dezember 2000 - XII ZB 193/00 - zu II 2 der Gründe; vgl. auch 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - aaO).
20 cc) Etwas anderes folgt auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH 22. Mai 2003 - I S 2/03 (PKH) - zu II 2 der Gründe; 20. Januar 1999 - IV S 3/98 - zu 2 der Gründe; 22. August 1994 - III S 3/94 - zu 2 der Gründe; 8. August 1990 - X S 18/90 -). Die Verfahren vor dem Bundesfinanzhof hatten nicht Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung, sondern Prozesskostenhilfegesuche für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde zum Gegenstand. Hierum geht es vorliegend aber nicht, weshalb offenbleiben kann, ob und ggf. welche Anforderungen an die Begründung eines solchen Prozesskostenhilfegesuchs zu stellen sind.
21 dd) Auch soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer anwaltlich vertretenen Partei Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn das Prozesskostenhilfegesuch nicht ein Mindestmaß an Begründung enthält (vgl. BVerwG 13. September 1989 - 1 ER 619.89 -), und vom Bundesarbeitsgericht verlangt wurde, dass wenigstens im Kern deutlich gemacht wurde, welche Beanstandungen gegen die anzufechtende Entscheidung vorgebracht werden sollen (vgl. BAG 17. Januar 2007 - 5 AZA 15/06 - Rn. 2; 9. Mai 2005 - 10 AZA 1/05 - zu II 2 c der Gründe; offengelassen 26. Januar 2006 - 9 AZA 11/05 - Rn. 19), führt dies zu keiner anderen Bewertung. Zum einen betrafen diese Entscheidungen wiederum Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde; zum anderen wurde auch hier teilweise zusätzlich geprüft, ob sich jedenfalls aus dem Berufungsurteil „greifbare Anhaltspunkte“ für eine zu Unrecht unterbliebene Zulassung der Revision ergaben (BAG 17. Januar 2007 - 5 AZA 15/06 - Rn. 2).
22 ee) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten wird die mittellose Partei dadurch, dass das Berufungsgericht eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels vornimmt, obgleich der Prozesskostenhilfeantrag nicht näher oder gar nicht begründet wurde, nicht gegenüber einer bemittelten Partei dadurch bevorteilt, dass sich die mittellose Partei das Ergebnis der rechtlichen Prüfung des Rechtsmittelgerichts zu Eigen machen könnte. Insoweit wird vom Landesarbeitsgericht und von der Beklagten nicht berücksichtigt, dass sich ein solcher Vorteil nur ergeben kann, wenn die gerichtliche Entscheidung eine Begründung enthält. Soweit das Gericht die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bejaht, bedarf die Prozesskostenhilfebewilligung allerdings keiner Begründung; nur dann, wenn Prozesskostenhilfe verweigert wird, muss der Beschluss eine Begründung enthalten (ua. Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 127 Rn. 3 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 74. Aufl. § 127 Rn. 11). Wird die Erfolgsaussicht nur teilweise verneint, ist auch nur insoweit eine Begründung erforderlich.
23 III. Da die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist die angefochtene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, die ausschließlich tragend auf die mangelnde Begründung des Prozesskostenhilfeantrags gestützt war, aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 78 ArbGG iVm. § 577 Abs. 4 ZPO). Der Senat kann nicht nach § 78 ArbGG iVm. § 577 Abs. 5 ZPO (zu solch einem Fall BAG 10. Juli 2015 - 10 AZB 23/15 - Rn. 7) abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
24 IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.