BAG: Altersdiskriminierung bei Überleitung in den TVöD
BAG , Urteil vom 08.12.2011 - Aktenzeichen 6 AZR 319/09 (Vorinstanz: LAG Köln vom 06.02.2009 - Aktenzeichen 8 Sa 1016/08; ) (Vorinstanz: ArbG Bonn vom 12.06.2008 - Aktenzeichen 3 Ca 3312/07; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: 1. Auch wenn § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bei der Zuordnung der in den TVöD übergeleiteten Beschäftigen zu den regulären Stufen des TVöD noch an die altersbezogene Grundvergütung im BAT anknüpft, die gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, verletzt diese Bestimmung das Verbot der Altersdiskriminierung nicht. Für die Zuordnung zu einer regulären Stufe infolge einer Höhergruppierung nach dem Inkrafttreten des AGG und vor dem 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund gilt nichts anderes. 2. Die Pflicht des Arbeitgebers, durch das lebensaltersstufenbezogene Grundvergütungssystem des BAT diskriminierten jüngeren Arbeitnehmern eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe zu zahlen, endet mit der Ablösung durch ein diskrimierungsfreies Entgeltsystem. Als Anknüpfungspunkt für die Eingliederung in das diskriminierungsfreie Entgeltsystem des TVöD kann eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe des BAT deshalb nicht dienen. Orientierungssätze: 1. § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund, der die Zuordnung der aus dem BAT übergeleiteten Angestellten zu den regulären Entwicklungsstufen des TVöD regelt, ist nicht altersdiskriminierend. Für die Zuordnung zu einer regulären Stufe infolge einer Höhergruppierung nach dem Inkrafttreten des AGG und vor dem 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund gilt nichts anderes. 2. Die aus dem BAT in den TVöD übergeleiteten Angestellten haben keinen Anspruch darauf, zum Zeitpunkt ihrer Eingliederung in das reguläre Stufensystem des TVöD so gestellt zu werden, als seien sie unter Zugrundelegung einer Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütung im BAT einer regulären Stufe des TVöD zugeordnet worden. Eine vorübergehende Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe bis zur Ablösung des diskriminierenden Entgeltsystems durch ein diskriminierungsfreies hat ausschließlich zur Beseitigung der Diskriminierung innerhalb des diskriminierenden Systems zu erfolgen. Als Anknüpfungspunkt für die endgültige Eingliederung in das diskriminierungsfreie Entgeltsystem des TVöD kann eine Vergütung aus der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe des BAT deshalb nicht dienen. 3. Bei Anlegung des gebotenen typisierenden Maßstabs ist weder bei der Schaffung der Entgeltstruktur des TVöD noch bei der Eingliederung der übergeleiteten Beschäftigten in die regulären Stufen des TVöD eine gleichheitswidrige Gruppenbildung erfolgt. Angesichts der Komplexität der Zusammenführung der verschiedenen Vergütungstarifverträge des öffentlichen Dienstes im TVöD war es unmöglich, eine Entgeltstruktur zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen gegenüber dem bisherigen Tarifrecht mit sich brachte. Ebenso wenig war es möglich zu verhindern, dass einzelne Beschäftigtengruppen nach der Überleitung in den TVöD von der neuen Entgeltstruktur mehr oder zu früheren Zeitpunkten profitierten als andere Gruppen. 4. Zwar konnte es in verschiedenen Konstellationen zu erheblichen Differenzen in der Einkommensentwicklung im TVöD bei verschiedenen Beschäftigtengruppen kommen. Eine Systemwidrigkeit, dh. eine in allen Fällen oder jedenfalls der Mehrzahl der Fälle gegebene Bevorzugung bestimmter Beschäftigtengruppen, die einen Gleichheitsverstoß indizierte, liegt jedoch nicht vor. Diese Differenzen ergeben sich vielmehr aus dem tariflich ausgehandelten Entgeltgefüge. Den staatlichen Gerichten ist wegen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie ein Eingriff in dieses Entgeltgefüge jedoch weitgehend verwehrt. Die autonome vergütungsrechtliche Bewertung einzelner Tätigkeiten ist integraler Bestandteil der Tarifautonomie. 5. Die Grenzen der autonomen Entgeltfindung der Tarifvertragsparteien sind im TVöD trotz der erheblichen nachteiligen finanziellen Folgen der neuen Entgeltstruktur für einzelne Beschäftigtengruppen noch nicht überschritten. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC vom 12. Dezember 2007; ABl. EU C 303 vom 14. Dezember 2007 S. 1) Art. 28; Richtlinie 2000/78/EG des Rates (vom 27. November 2000) zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG; ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 1; ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 2; ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 6; GG Art. 3 Abs. 1; Bundes-Angestelltentarifvertrag ( BAT i.d.F. vom 31. Januar 2003) § 27 Abschn. A; Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund vom 13. September 2005) § 5; Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund vom 13. September 2005) § 6;
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