R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
16.01.2008
Arbeitsrecht
: Absolutes Verbot durch Einigungsstelle

LarbG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.11.2007 - 5 TaBV 23/07

sachverhalt:

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruches.

Der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) ist der im Betrieb der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) eingerichtete Betriebsrat.

Entsprechend einer seitens der Betriebsparteien getroffenen Einigung in dem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Lübeck, Az. 3 BV 42 c/06, tagte die Einigungsstelle am 18.09., 01.1. und 01.12.2006 zur Regelung des Alkoholkonsums der Besatzungsmitglieder der MS N... H... und MS R... H... während der Bordtage. Am 01.12.2006 fällte die Einigungsstelle den Spruch betreffend die „Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Alkohol" (Bl. 8 f. d.GA.). Ziff. 2 des Spruches enthält folgende Regelung:

„2. Regelung über den Konsum von Alkohol

a) Die Besatzungsmitglieder dürfen bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung von alkoholischen Getränken stehen. In der Dienstzeit dürfen sie zudem keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen (0,0 Promille im Blut).

b) Die Besatzungsmitglieder müssen deshalb den Alkoholkonsum während ihrer Freizeit an Bord so gestalten, dass sie bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung von alkoholischen Getränken stehen. Des Weiteren müssen die Besatzungsmitglieder den Alkoholkonsum während ihrer Freizeit an Bord so gestalten, dass sie jederzeit in der Lage sind, ihre Aufgaben im Rahmen der Schiffssicherheitsorganisation (u.a. Sicherheitsrolle) uneingeschränkt zu erfüllen.

c) Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für Besatzungsmitglieder an Überliegetagen gem. Anlage II § 10 Abs. 6 MTV-See und an Werfttagen in der Zeit, in der die Besatzungsmitglieder nicht zum Dienst eingeteilt sind."

Der Betriebsrat hat gemeint,

die Einigungsstelle habe jedenfalls eine über die gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 4 u. 5 SeeSchStr hinausgehende Regelung für den Alkoholkonsum an Bord nicht treffen dürfen. Er hat die 0,0-Promille-Grenze für den Blutalkohol für unverhältnismäßig gehalten. Diese Regelung gehe über das von ihm akzeptierte Verbot, alkoholische Getränke während der Dienstzeit zu sich zu nehmen, hinaus. Sie erfasse auch den Genuss von Alkohol in Speisen (Pralinen, Soßen) und in medizinischen Präparaten. Die 0,0-Promille-Grenze sei unverhältnismäßig, weil sie im Interesse der Schiffssicherheit nicht erforderlich sei. Der Genuss einer Weinbrandbohne oder von Hustensaft beeinträchtige die Sicherheit in keiner Weise. Zudem sei die Einhaltung der 0,0-Promille-Grenze nicht kontrollierbar. Alkohol könne sicher erst ab einem Grenzwert von 0,2 oder 0,3 Promille nachgewiesen werden. Von daher suggeriere der Spruch der Einigungsstelle lediglich Rechtssicherheit.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 01.12.2006 (Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Alkohol) unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat unbestritten vorgetragen,

dass sämtliche Besatzungsmitglieder in Notfällen sicherheitsrelevante Aufgaben wahrzunehmen hätten. Die im Notfall geltenden Vorschriften und Einsatzpläne seien in der Sicherheitsrolle ihrer Schiffe (Bl. 33-39 d.GA.) festgelegt. Die Sicherheitsrollen der Schiffe seien unstreitig von der Seeberufsgenossenschaft genehmigt worden. Das Alkoholverbot sei ihrer Verantwortung für das Leben von Passagieren und Besatzung, für die Umwelt, für Ladung und Schiff geschuldet. Der Klammerzusatz unter Ziffer 2 a) des Spruches der Einigungsstelle (0,0 Promille im Blut) solle jedem Besatzungsmitglied klar vor Augen halten, dass jeglicher Genuss von alkoholischen Getränken vor Dienstantritt und während der Dienstzeit verboten sei. Er diene damit gerade der Rechtssicherheit. Ob geringe Mengen von Alkohol im Blut nachweisbar seien, sei unerheblich. Sie müsse ggf. durch Zeugen belegen, dass ein Mitarbeiter unter Alkoholeinfluss stehe. Der Spruch der Einigungsstelle erfasse nicht den Genuss von Speisen und die Folgen der Einnahme von Medikamenten. Darüber sei ausführlich in der Einigungsstelle gesprochen worden. Um derartige Tatbestände auszuschließen, habe die Einigungsstelle unter Ziffer 2. a) die Alkoholisierung des Mitarbeiters durch alkoholische Getränke geregelt.

Mit Beschluss vom 17.04.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen. Die Einigungsstelle sei zur Regelung der Fragen des Umgangs mit Alkohol gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zuständig gewesen. Der Spruch der Einigungsstelle greife auch nicht unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte der Besatzungsmitglieder ein. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass nicht alle Besatzungsmitglieder in gleicher Weise durch ihre Tätigkeit für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich seien. Denn in Notfällen könnten alle Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen zum Einsatz gelangen. Der Spruch lege auch keine absolute 0,0- Promille-Grenze fest. Es sei den Besatzungsmitgliedern nicht verboten, alkoholhaltige Medikamente oder Speisen zu sich zu nehmen. Der Spruch der Einigungsstelle sei auch eindeutig. Er normiere, dass Mitarbeiter bei Dienstantritt keinen Alkohol im Blut haben dürften. Unklarheiten hätte gerade die vom Betriebsrat offenbar favorisierte Regelung einer 0,2- oder 0,3-Promille-Grenze nach sich gezogen. Kein Arbeitnehmer könne beurteilen, wann dieser Grenzwert erreicht sei. Etwaige Schwierigkeiten der Nachweisbarkeit einer 0,0-Promille-Grenze trage allein die Arbeitgeberin. Sowohl das Verbot, während des Dienstes keine alkoholischen Getränke zu sich zu nehmen, als auch dasjenige, den Dienst alkoholisiert anzutreten, stellten keine unverhältnismäßigen Eingriffe in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Besatzungsmitglieder dar. Die Verbote seien geeignet, die hundertprozentige Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter im Interesse der Schiffssicherheit zu gewährleisten. Es sei auch erforderlich, weil kein anderes Mittel zur Verfügung stehe. Die Einschränkung des Alkoholgenusses durch die Besatzungsmitglieder auch während der Freizeit erscheine bei der erforderlichen Abwägung der Intensität des Eingriffs durch den Spruch der Einigungsstelle und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe angemessen.

Jedenfalls seien die Grenzen der Zumutbarkeit angesichts der zu gewährleistenden Sicherheit für Leib und Leben der Besatzung, der Passagiere, des Schiffes, des Seeverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer sowie der Umwelt nicht überschritten. Gegen diesen ihm am 15.06.2007 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am Montag, den 16.07.2007, beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 15.09.2007 am Montag, den 17.09.2007 begründet.

Der Betriebsrat wendet ein,

dass es unverhältnismäßig sei, allen Besatzungsmitgliedern, also auch z.B. dem Reinigungspersonal, jeglichen Alkoholgenuss auch in kleinster Menge während der Dienstzeit zu untersagen. Er verweist insoweit auf die Stellungnahme des Bundesrates zum absoluten Alkoholverbot bei Fahranfängern sowie die geäußerten Bedenken hinsichtlich des Nachweises einer Null-Promille-Grenze. Zudem beziehe sich der Klammerzusatz (0,0 Promille im Blut) nicht eindeutig auf Getränke. Wäre die Regelung in Ziff. 2 ausschließlich auf alkoholische Getränke zugeschnitten, hätte es des Klammerzusatzes nicht bedurft, weil jemand, der bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung von alkoholischen Getränken stehe und in der Dienstzeit keinen Alkohol trinke, zwangsläufig keinen nachweisbaren Alkohol im Blut habe. Auch die Regelung, dass Besatzungsmitglieder den Alkoholkonsum während ihrer Freizeit an Bord so gestalten müssen, dass sie jederzeit in der Lage sind, ihre Aufgaben im Rahmen der Schiffssicherheitsorganisation uneingeschränkt zu erfüllen, sei nicht erforderlich, um die Schiffssicherheit zu gewährleisten und beschränke damit die Persönlichkeitsrechte der Besatzungsmitglieder in unzulässiger Weise. Ein Arbeitnehmer könne seine Aufgaben nur „uneingeschränkt" erfüllen, wenn er keinen Alkohol trinke. Außerdienstliches Verhalten, das die Arbeitsleistung nicht beeinträchtige und nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen verstoße, gehe den Arbeitgeber nichts an. Insoweit könne für Besatzungsmitglieder auf Schiffen nichts anderes gelten als für Arbeitnehmer an Land. Die Verpflichtung, im Notfall Hilfe zu leisten, entspreche bereits der für jeden Bürger geltenden gesetzlichen Regelung des § 323 c StGB. Aus der allgemeinen Verpflichtung zur Hilfeleistung im Notfall gemäß § 323 c StGB resultiere aber keine Verpflichtung, den Alkoholkonsum während der Freizeit einzuschränken.

Für Besatzungsmitglieder gelte nichts anderes. Sie seien lediglich deshalb an Bord, weil sie das Schiff nach Dienstende nicht verlassen könnten. Auch aus § 26 UVVSee folge nicht die Erforderlichkeit des umfassenden Alkoholverbots während der Freizeit an Bord. Auch sei für die Wahrung der Schiffssicherheit nicht die uneingeschränkte Einsatzfähigkeit aller an Bord befindlichen Besatzungsmitglieder erforderlich. Zudem könnten neben Alkohol auch andere Faktoren, wie z.B. die Einnahme eines Schlafmittels die Wahrnehmung etwaiger Notfall-Aufgaben einschränken.

Grundsätzlich sei zu verlangen, dass jedem Arbeitnehmer ein geschützter Privatbereich verbleibe, der nicht von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten durchsetzt werde.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.04.2007, Az. See 3 BV 90 c/06, abzuändern und festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 01.12.2006 (Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Alkohol) unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt

den angefochtenen Beschluss. Der Hinweis des Betriebsrats auf die verfassungsmäßigen Bedenken des Bundesrates gegen die Bußgeldbewehrung der Aufnahme alkoholischer Getränke während der Fahrt bei der Einführung eines Alkoholverbots für Fahranfänger überzeuge nicht. Der Einigungsstellenspruch enthalte keine Bußgeldbewehrung als Sanktion. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesrates würden von der Bundesregierung im Übrigen auch nicht geteilt. Auch der Einwand des Betriebsrates, dass eine 0,0-Promille-Grenze nicht messbar sei, greife nicht durch, da sie, die Arbeitgeberin, den Nachweis ggf. durch Zeugenbeweis erbringen könne, wenn jemand beim Trinken von Alkohol kurz vor Dienstantritt oder während des Dienstes an Bord beobachtet worden sei. Das Verbot, Alkohol während der Arbeitszeit zu sich zu nehmen, sei nach der h. M. von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien gedeckt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne sogar ein außerbetriebliches Alkoholverbot einen gerechtfertigten Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG darstellen, so z.B. bei Besatzungsmitgliedern von Flugzeugen der Bundeswehr.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 20.11.2007 verwiesen.

aus den Gründen:

II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 89 Abs. 1, Abs. 2; 89 Abs. 2; 66 Abs. 1; 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 518; 519 ZPO.

In der Sache selbst hat die Beschwerde indessen keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Die Beschwerdekammer folgt insoweit den sorgfältig, umfassenden und in keinem Punkt zu beanstandenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, sodass zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen vollinhaltlich auf Ziff. II der Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden kann und soll. Nur ergänzend und auf den Vortrag des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz eingehend, sei noch auf Folgendes hingewiesen:

1. Die Einigungsstelle hat ihre Kompetenz zur Entscheidung über den Umgang mit Alkohol für die Besatzungsmitglieder der T...-L... nicht überschritten. Bei der Frage, ob und wie viel Alkohol die Besatzungsmitglieder während der Dienstzeit zu sich nehmen dürfen und in welchem (Alkohol-)Zustand sie den Dienst antreten bzw. während der Freizeit im Notfall wieder aufnehmen dürfen, handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Frage der betrieblichen Ordnung i. S. v. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Dies sieht der Betriebsrat nicht anders. Für den Erlass der hier strittigen Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Alkohol war mithin mangels Einigung der Betriebsparteien nach § 87 Abs. 2 i. V. m. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Einigungsstelle zuständig.

2. Der Einigungsstellenspruch hat mit der Ausgestaltung des Alkoholverbots während der Arbeitszeit auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.

a) Beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen sind die Betriebsparteien gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet. Sie haben damit auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zu beachten. Zwar wird diese, soweit sie über den Kernbereich der Persönlichkeit hinausgeht, ihrerseits durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt, zu der auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen gehören (BAG, Urt. v. 12.12.2006 - 1 AZR 96/06 -, AP Nr. 94 zu n§ 77 BetrVG). Zugleich sind jedoch die einzelnen Grundrechtsträger, d.h. die Arbeitnehmer vor unverhältnismäßigen Grundrechtsbeschränkungen durch privatautonome Regelungen zu schützen (BAG, Urt. v. 11.07.2000 - 1 AZR 551/99 -, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972).

Das zulässige Ausmaß einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die von den Betriebsparteien getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Handlungsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG, Urt. v. 12.12.2006 - 1 AZR 96/06 -, a.a.O.).

b) Hieran gemessen hat die Einigungsstelle mit der Regelung Ziff. 2. a) des Spruches vom 01.12.2007 das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten. Sowohl das absolute Verbot, während der Dienstzeit alkoholische Getränke zu sich zu nehmen (aa)) als auch das Gebot, bei Dienstantritt nicht unter der Wirkung alkoholischer Getränke zu stehen (bb), entsprechen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und verletzen die Freiheitsrechte der Besatzungsmitglieder nicht unangemessen.

aa) Es kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen und ist auch durchaus üblich, dass in sicherheitsrelevanten Bereichen, wie beim Führen von Maschinen oder Fahrzeugen oder beim Umgang mit Waffen, es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, während der Dienstzeit ein betriebliches absolutes Alkoholverbot auszuspre- chen (vgl. BAG, Beschl. v. 10.11.1987 - 1 ABR 55/86 -, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972; vgl. BAG, Urt. v. 26.01.1995 - 2 AZR 649/94 -, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969; LAG Berlin, Urt. v. 18.02.2000 - 2 Sa 2375/99 -, zit. n. Juris; Schaub/ Linck, Arbeitsrechts- Handbuch, 12. Aufl., Rn. 64 zu § 127; KR/ Griebling, 8. Aufl., Rn. 424, 472 zu § 1 KSchG; Fitting, 23. Aufl., Rn. 71 zu § 87 BetrVG). Durch das generelle Alkoholverbot soll nicht nur die ordnungsgemäße Erledigung der arbeitsvertraglichen Pflichten sichergestellt, sondern auch jegliche Gefährdung von Menschenleben und Sachmitteln vermieden werden. Gerade beim gefahrträchtigen Transport einer Vielzahl von Menschen in Bussen, Zügen, Schiffen oder Flugzeugen ist zur Gewährleistung der allgemeinen Verkehrssicherheit ein absolutes Alkoholverbot zwingend erforderlich. Der Verzicht auf Alkohol während des Dienstes erweist sich angesichts dessen nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Belegschaft.

(1) Der Betriebsrat kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Mitarbeiter auch mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,1 bis 0,3 Promille ihre arbeitsvertraglichen Pflichten noch ordnungsgemäß erfüllen könnten, sodass von ihnen auch keine Gefährdung ausgehe. Gerade das „Herantrinken" an eine bestimmte Promille-Grenze birgt die Gefahr der Überschreitung der Grenze und damit alkoholbedingter Leistungseinschränkungen. Es ist für den Einzelnen nicht feststellbar, wie viel alkoholische Getränke er zu sich nehmen darf, um einen bestimmten Grenzwert nicht zu überschreiten. Dies hängt nicht nur davon ab, wie hochprozentig das Getränk ist, sondern auch wie viel in welcher Zeit davon genossen wird, welche körperliche Konstitution der Betreffende hat und ob und wie viel er zuvor gegessen hat.

(2) Auch sind die vom Betriebsrat zitierten Bedenken des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des § 24 c StVG (0,0 Promillegrenze bei Fahranfängern) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Durch einzelvertragliche, betriebliche oder tarifvertragliche Vereinbarung kann ohne Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG auf entsprechende Freiheitsrechte weiträumiger verzichtet werden.

(3) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass von dem Alkoholverbot während der Dienstzeit nicht nur die Schiffsführer und Schiffstechniker, sondern auch das Restau- rant-, Kabinen- und Reinigungspersonal betroffen ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass in Notfällen auch Besatzungsmitglieder aus nicht sicherheitsrelevanten Bereichen zum Einsatz kommen können. Zudem würde es der betrieblichen Ordnung widersprechen, wenn es einigen Mitarbeitern erlaubt wäre, Alkohol (in geringen Mengen) während der Arbeitszeit zu trinken, anderen hingegen nicht. Hierdurch entstünde zudem die Gefahr, dass sich auch andere, in Sicherheitsbereichen tätige Mitarbeiter zum Genuss von Alkohol hinreißen lassen. Ein absolutes Alkoholverbot während der Arbeitszeit dient letztlich auch dem Schutz etwaiger (unbekannter) Alkoholiker, die bereits nach der Einnahme geringster Mengen den Alkoholgenuss nicht mehr steuern können.

(4) Der Klammerzusatz in Satz 2 der Ziff. 2.a) des Einigungsstellenspruchs bezieht sich eindeutig auf alkoholische Getränke. Nur die Einnahme alkoholischer Getränke ist nach dem Einigungsstellenspruch verboten. Der Klammerzusatz unterstreicht sozusagen die Absolutheit des Alkoholverbots, nicht mehr und nicht weniger. Die hiergegen gerichteten Einwände des Betriebsrates überzeugen nicht. Dies hat bereits das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt.

bb) Das in Ziff. 2.a) des Einigungsstellenspruchs enthaltene Verbot, den Dienst bereits unter der Wirkung alkoholischer Getränke anzutreten, verletzt die Besatzungsmitglieder ebenfalls nicht unverhältnismäßig in ihren Freiheitsrechten. Es ist den Besatzungsmitgliedern gerade nicht verboten, in ihrer Freizeit Alkohol zu trinken. Es ist ihnen indessen aus Gründen der Schiffssicherheit grundsätzlich zuzumuten, ihren Alkoholkonsum während der Freizeit so zu steuern, dass sie bei Dienstantritt nüchtern sind (vgl. LAG München, Urt. v. 23.09.1975 - 5 Sa 590/75 - BB 1976, 465; LAG Hamm, Urt. v. 11.11.1996 - 10 Sa 1789/95 -, LAGE § 1 KSchG ‚Verhaltensbedingte Kündigung‘ Nr. 56). Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich verlangen, dass die Arbeitnehmer ihren Dienst nüchtern antreten. Denn nur so ist die uneingeschränkte Dienstfähigkeit der Arbeitnehmer von der ersten Stunde der Arbeitszeit an gewährleistet. Es kann auch auf die Ausführungen unter Ziff. II.2.b)aa) dieses Beschlusses verwiesen werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass den Arbeitnehmer die vertragliche Nebenpflicht trifft, alles zu unterlassen, was die Arbeitsfähigkeit (während der geschuldeten Arbeitszeit) einschränkt. Er hat mithin dafür Sorge zu tragen, dass er bei Dienstbeginn uneingeschränkt arbeitsfähig ist. Dies führt notgedrungen zu einer Einschränkung seines Freizeitverhaltens und damit auch des Alkoholkonsums während der Freizeit. Hierbei handelt es sich angesichts der berauschenden Wirkung von Alkohol und der geschuldeten Arbeitsleistung sowie der zu gewährleistenden Arbeitssicherheit um eine zulässige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit.

c) Soweit der Betriebsrat erstmals im Beschwerdeverfahren eine Ermessensüberschreitung der Einigungsstelle im Hinblick auf Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs rügt, führen auch die diesbezüglichen Einwände nicht zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs.

aa) Auch Besatzungsmitglieder, die während ihrer sechs- bis elfstündigen Freischichten an Bord bleiben müssen, haben ihren Alkoholkonsum so zu gestalten, dass gewährleistet ist, dass sie bei Dienstantritt wieder nüchtern sind, Ziff. 2.b Satz 1 des Einigungsstellenspruchs. Hier gilt nichts anderes als für die Mitarbeiter, die ihre Freizeit an Land verbringen können. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Ziff. II.b)bb) dieser Gründe verwiesen werden.

bb) Aber auch Satz 2 der Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs stellt keinen unzulässigen Eingriff in die Freiheitsrechte der Besatzungsmitglieder dar. Der Betriebsrat muss sich an dieser Stelle auch entgegen halten lassen, dass er in dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vor dem Landesarbeitsgericht, 3 TaBV 43/05, einer Neufassung der Ziff. 6.0.1 Abs. 2 des SMS-Handbuch wie folgt zustimmt hat: „Jeder Mitarbeiter muss jederzeit in der Lage sein, seine Aufgaben im Rahmen der Schiffssicherheitsorganisation ordnungsgemäß zu erfüllen. Es wird an alle Besatzungsmitglieder appelliert, den Alkoholkonsum während der gesamten Zeit der Bordanwesenheit so einzuschränken, dass die Schiffssicherheit, insbesondere auch in Notfällen (z.B. Evakuierungs- und andere Notmaßnahmen) uneingeschränkt gewährleistet bleibt."

Die Formulierung in Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs entspricht nahezu derjenigen in dem SMS-Handbuch. Der Betriebsrat verhält sich widersprüchlich, wenn er nunmehr meint, die Freiheitsrechte der Besatzungsmitglieder seien durch die Ein- schränkung des Alkoholkonsums während der Freischichten an Bord unangemessen eingeschränkt.

cc) Ungeachtet dessen hat die Einigungsstelle das ihr zustehende Ermessen auch an dieser Stelle nicht in unzulässiger Weise überschritten.

Dabei wird nicht verkannt, dass innerhalb des Dienstes die Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer stärker eingeschränkt werden kann als außerhalb des Dienstes. Die mit Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs einhergehende relative Einschränkung des Alkoholgenusses während der Freizeit an Bord haben die Besatzungsmitglieder im Hinblick auf die Schiffssicherheit hinzunehmen. Die allgemeine Handlungsfreiheit ist gemäß Art. 2 Abs. 1 GG nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährt. Die Handlungsfreiheit des Einzelnen ist nur soweit gewährleistet, wie die Rechte anderer nicht verletzt werden, dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz neminem laedere. Bei der gebotenen Güter- bzw. Grundrechtsabwägung sind stets die Gesamtumstände maßgeblich. Einerseits geht es um den Schutz von Leib und Leben sämtlicher an Bord befindlichen Personen sowie der übrigen Verkehrsteilnehmer und dem Eigentumsschutz und andererseits um Freiheitsrechte der Arbeitnehmer während ihrer Freizeit an Bord. Von Bedeutung ist hierbei die Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre der Arbeitnehmer (vgl. BAG, Beschl. v. 14.12.2004 - 1 ABR 34/03 -, AP Nr. 42 zu § 87 BetrVG 1972).

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist es den Besatzungsmitgliedern vorliegend nicht grundsätzlich verboten, Alkohol in ihrer Freizeit an Bord zu trinken. Ein allgemeines außerdienstliches Alkoholverbot verstieße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und hätte vor Art. 2 Abs. 1 GG keinen Bestand. Denn es liegt auf der Hand, dass es sowohl vom Zeitfaktor als auch vom Umfang der genossenen Alkoholmenge her Freiräume für einen Alkoholgenuss gibt, durch den dienstliche Belange nicht berührt werden (BVerwG - 1 WB 86/89 -, NJW 1991, 69-72).

Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs statuiert indessen kein absolutes Alkoholverbot während der Freischichten. Durch diese betriebliche Norm soll sichergestellt werden, dass das Schiffspersonal auch während der Freischichten im Notfall jederzeit in der Lage ist, seine Aufgaben im Rahmen der Schiffssicherheitsorganisation uneingeschränkt zu erfüllen. Es ist unbestritten, dass ein Arbeitnehmer im Allgemeinen auch noch seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen kann, wenn er maßvoll Alkohol getrunken hat. Dies wird daran deutlich, dass das Fahren eines Kraftfahrzeuges gemäß § 24 a StVG erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille bußgeldbewehrt ist. Es ist den Bürgern mithin grundsätzlich erlaubt, bis zu einer vorliegenden Blutalkoholkonzentration von 0,49 Promille Auto zu fahren. Bei einer unter 0,3 Promille liegenden Blutalkoholkonzentration kann auch bei einem Fahrfehler nicht auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Wer im Straßenverkehr uneingeschränkt in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen, ist in aller Regel auch in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Die strittige Regelung des Einigungsstellenspruchs verbietet mithin nicht jeglichen Alkoholkonsum, sondern gebietet einen maßvollen Umgang mit Alkohol. Es muss mithin jeder Arbeitnehmer selbst beurteilen, wie viel Alkohol er in welcher Konzentration in welcher Zeit trinken kann, um gleichzeitig sicherzustellen, dass er die ihm nach der Sicherheitsrolle zugewiesenen Aufgaben noch erfüllen kann. Es wäre verfehlt, sich an dieser Stelle auf eine starre Promillegrenze festzulegen. Das Erreichen der Schwelle alkoholbedingter Leistungsminderung hängt nicht nur von der Menge des Alkohols und des zeitlichen Trink- und Essverhaltens des Betreffenden ab, sondern auch von dessen Alkoholgewöhnungsgrad. Die allgemeine Handlungsfreiheit betreffend den Alkoholkonsum während der Freizeit an Bord wird mithin nur relativ und nicht absolut eingeschränkt.

Diese Einschränkung ist im Hinblick auf die Gefährdungslage an Bord hinzunehmen.

Hieran ändern auch die Vorschriften der §§ 26, 10 UVV-See nichts. Denn nach der Intention des Einigungsstellenspruchs gilt es in einer unvorhergesehenen Notlage auf jeden Fall, das Leben und die Gesundheit der an Bord anwesenden Menschen sowie der anderen Verkehrsteilnehmer als auch die Sachgüter von erheblichem Wert zu schützen. Diese Rechtsgüter (Leib, Leben, Eigentum von erheblichem Wert) anderer, die in einer Notlage auf die Hilfe der Besatzungsmitglieder angewiesen sind, sind vorliegend schutzwürdiger und haben deshalb Vorrang vor der Freiheit der Besatzungsmitglieder, sich während der Freischichten an Bord „betrinken" zu können.

Die Sicherheit des Schiffsverkehrs ist ein sehr hohes Gut, das es wegen der möglichen katastrophalen Auswirkungen einer Havarie unbedingt zu schützen gilt.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Besatzungsmitglieder teilweise, wenn auch eher selten, bis zu sechs Monate an Bord eines Schiffes bleiben müssen.

Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass es zum Berufsbild eines Matrosen oder sonstigen Mitarbeiters auf einem Schiff zählt, seine Freizeit nicht an Land verbringen zu können. Er weiß, dass er seine Freizeit in der Regel gerade nicht so gestalten kann, wie er es im Einzelfalle gerne möchte. Diese Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit sind dem Beruf geschuldet. Zudem zählt es auch zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Seemannes, im Notfall auch während der Freizeit sofort seinen Dienst wieder aufzunehmen. Dies ergibt sich aus der Sicherheitsorganisation (Sicherheitsrolle). Die Besatzungsmitglieder haben mithin auch die vertragliche Nebenverpflichtung übernommen, im Notfalle auch während ihrer Freizeit einsatz- und arbeitsfähig zu bleiben. Hierzu zählt auch der Verzicht auf übermäßigen Alkoholgenuss während der Freischichten. Insoweit unterscheidet sich diese arbeitsvertragliche Verpflichtung (Einsatz nach der Sicherheitsrolle), nicht von derjenigen der Mitarbeiter in Rufbereitschaft. Letztere unterliegen ebenfalls den hier strittigen Einschränkungen im Alkoholkonsum. In der Regel liegen die Gehälter der Mitarbeiter an Bord auch erheblich höher als diejenigen der entsprechenden Berufe an Land, um gerade die Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit während der Freizeit zu kompensieren.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen sieht die Berufungskammer die durch Ziff. 2.b) des Einigungsstellenspruchs bedingten Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit der Besatzungsmitglieder als rechtmäßig an.

3. Nach alledem war die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein gesetzlich begründbarer Anlass, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

gez. ... gez. ... gez. ...

stats