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Arbeitsrecht
08.08.2016
Arbeitsrecht
LAG Nürnberg: Abhängiger Anspruch auf Weiterbeschäftigung

LAG Nürnberg, Urteil vom 8.7.2016 – 4 Ta 78/16

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-1908-4

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Amtlicher Leitsatz

Ein vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängiger Anspruch auf Weiterbeschäftigung kann auch ohne ausdrückliche Bezeichnung als uneigentlicher Hilfsantrag ausgelegt werden.

Er bleibt bei der Bemessung des Verfahrens- und Vergleichswertes unberücksichtigt, wenn in dem Bestandsstreit kein über den angegriffenen Beendigungszeitpunkt hinausgehender Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich festgestellt oder im Wege des Vergleiches von den Parteien vereinbart wird.

§§ 42, 45, 63, 68 GKG

Sachverhalt

I.

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit der Arbeitgeberkündigung vom 30.11.2015 zum 31.12.2015 und die Weiterbeschäftigung ab dem 01.01.2016. Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleiches erledigt, auf des-sen Inhalt (Bl. 47, 48 d.A.) Bezug genommen wird.

Mit Beschluss vom 08.04.2016 hat das Erstgericht den Streitwert für das Verfahren auf 5.968,50 € (= 3 Bruttomonatseinkommen) festgesetzt.

Gegen den ihnen am 11.04.2016 formlos zugeleiteten Beschluss wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit ihrer am 28.04.2016 beim Erstgericht eingegangenen Beschwerde.

Sie vertreten die Auffassung, für den Verfahrenswert sei auch der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Bruttomonatsgehalt zu berücksichtigen.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 06.06.2016 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,--.

Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Den Beschwerdeführern steht ein eigenes Beschwerderecht gem. § 32 Abs. 2 RVG zu.

2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Das Erstgericht hat in seiner Ausgangsentscheidung den Gegenstandswert des Verfahrens zutreffend auf EUR 5.968,50, den Vierteljahresverdienst des Klägers, festgesetzt.

Der neben dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist weder für den Verfahrenswert noch den Vergleichswert streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

Das Erstgericht hat bei der Festsetzung des Verfahrenswertes zutreffend auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.08.2011 (2 AZR 668/10, in Juris) abgestellt und in vollem Einklang mit dem Inhalt des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit (Ziffer I Nr. 18 und 23) die Voraussetzungen für die Festsetzung eines zusätzlichen Bruttomonatsgehalts gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG verneint. Bei dem ab dem Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung gestellten Weiterbeschäftigungsantrag handelt es sich auch dann um einen uneigentlichen Hilfsantrag, wenn er in der Klageschrift nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet worden ist, sich jedoch aus der Klagebegründung seine Abhängigkeit vom Erfolg des Feststellungsbegehrens ergibt. Dies entspricht dem Interesse der klagenden Partei an einem kostenschonenden Vor-gehen. Auch bei anwaltlicher Vertretung der klagenden Partei kann ohne gegenteilige Anhaltspunkte unterstellt werden, dass die kostenschonendsten Anträge gemeint sind. Die Aufgabe des Anwalts wird allgemein so bestimmt, dass er die Interessen des Mandanten in den Grenzen des erhaltenen Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen und sein Verhalten so einzurichten hat, dass Schädigungen des Man-danten möglichst vermieden werden, dies auch im Hinblick auf vermeidbare Verfahrenskosten (so Anmerkung Ziemann zu BAG v. 30.08.2011, in Juris, m.w.N.). Liegen keine gegenteiligen Anhaltspunkte vor, darf davon ausgegangen werden, dass kostenschonend vorgegangen werden sollte. Dies hat das Erstgericht zutreffend festgestellt. Der gestellte Weiterbeschäftigungsantrag fällt auch bei der Bemessung des Vergleichswertes gem. § 45 Abs. 4 GKG nicht an. Ihn betreffend haben die Parteien im Vergleich keine Vereinbarung getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbar wäre (vgl. BAG v. 13.08.2014 – 2 AZR 871/12 – NZA 2014, 1359). Dies wäre dann der Fall, wenn (zumindest zeit-weise) ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verabredet worden wäre. Im vorliegenden Fall haben die Parteien sogar einen vor dem Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung liegenden Beendigungstermin vereinbart. Damit blieb das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers auch bei Vergleichsschluss unberücksichtigt. Ergänzend kann vollumfänglich auf die sehr ausführlichen und in jedem einzelnen Punkt zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts in seiner Nichtabhilfeentscheidung verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Gründe abgesehen werden.

III.

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.

Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.

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