BAG: Abgrenzung Betriebsübergang gegen Funktionsnachfolge
BAG, Urteil vom 19.3.2015 – 8 AZR 150/14
Nicht amtliche Leitsätze
1. Der Betriebsübergang i. S. v. § 613a Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Unionsrecht setzt voraus, dass eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität von einem neuen Rechtsträger fortgeführt wird. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Umstände berücksichtigt werden. Diese sind Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und müssen immer auf die Eigenart der zu prüfenden wirtschaftlichen Einheit bezogen werden, sie dürfen nicht isoliert betrachtet werden.
2. Beim Übergang materieller Betriebsmittel ist nicht nur darauf abzustellen, ob sie für die Durchführung des Betriebszwecks und der dafür auszuübenden Tätigkeiten wichtig oder unentbehrlich sind. Dies kann auf Betriebsmittel zutreffen, die gleichwohl reine Hilfsmittel sind und nicht die Eigenart des Betriebs prägen.
3. Ein klassisches Dienstleistungsunternehmen, bei dem die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht, verliert diese Eigenart nicht dadurch, dass zur Erbringung der Dienstleistung ein bestimmtes Hilfsmittel unverzichtbar ist.
4. Im Falle der Übernahme eines Auftrags, die für sich allein keinen Betriebsübergang darstellt, müssen einzelne Umstände darauf geprüft werden, ob sie durch die Konstellation einer Auftragsnachfolge naturgemäß ausgelöst werden. Eine Auftragsnachfolge bedeutet regelmäßig einen identischen Auftraggeber, eine nahtlose oder fast nahtlose Fortsetzung des Auftrags und eine große Art der Ähnlichkeit der Tätigkeiten.
5. Umstände, die beim neuen Auftragnehmer schon vor der Übernahme des Auftrags vorgelegen haben, sind schon deswegen vom früheren Auftragnehmer nicht „übernommen“.
Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob ein Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. bestanden hat, infolge eines Betriebsübergangs am 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist.
Beide Beklagten betreiben Zustelldienste. Sie gehören jeweils zu 75 % der H GmbH und zu 25 % der S GmbH. Neben den beiden Beklagten existieren noch weitere Zustellgesellschaften mit gleicher Gesellschafterstruktur, die im Stadtgebiet München in gegeneinander abgegrenzten Sektoren Münchener und andere regionale und überregionale Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, an Abonnenten zustellen. Einziger Auftraggeber dieser Gesellschaften ist die S L GmbH, eine 100-prozentige Tochter der S GmbH.
Der Kläger war seit dem 16. November 2000 bei der Beklagten zu 2. als Zeitungszusteller mit 20 Wochenstunden beschäftigt. Nach seiner Darstellung betrug sein Bruttomonatseinkommen 816,00 Euro. Er war Mitglied des im Betrieb der Beklagten zu 2. gebildeten Betriebsrats.
Mit Schreiben vom 30. November 2011 kündigte die S L GmbH den mit der Beklagten zu 2. geschlossenen Zustellvertrag zum 29. Februar 2012. Das Kündigungsschreiben war ua. von Herrn K als einem der Geschäftsführer der S L GmbH unterzeichnet. Am 12. Januar 2012 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten zu 2. die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Betriebsstilllegung zum 29. Februar 2012. Davon unterrichtete die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom gleichen Tag den bei ihr gebildeten Betriebsrat und forderte ihn zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich auf.
Am 13. Februar 2012 wurde K zum Geschäftsführer der Beklagten zu 1. bestellt. Deren jetzige Firma war - bei unverändertem Geschäftsgegenstand - zuvor am 4. Oktober 2011 in das Handelsregister eingetragen worden. Die S L GmbH und die Beklagte zu 1. schlossen am 29. Februar 2012 einen Dienstleistungsvertrag über die Zustellung von Abonnementzeitungen und weiteren adressierten Sendungen in den Postleitzahlenbereichen 80331, 80333, 80539, 81541, 81543 und 81547. Dies entsprach dem Zustellbereich, den bisher die Beklagte zu 2. mit dem gekündigten Zustellvertrag wahrgenommen hatte. Sieben der im Januar 2012 noch bei der Beklagten zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer schlossen neue Arbeitsverträge mit der Beklagten zu 1. ab.
Am 1. März 2012 begann die Beklagte zu 1. mit der Zustellung. Sie stellte die Touren der Zusteller neu zusammen und reduzierte sie von 140 auf 98 Touren. Einzelne Großkunden wurden nunmehr direkt beliefert. Die drei Verteilstellen, an denen sich die Zusteller der Beklagten zu 2. noch die Zeitungen abholten, entfielen. Die Zusteller wurden von der S L GmbH direkt beliefert. Die Beklagte zu 1. erhielt von der Beklagten zu 2. die für die Zustellung benötigten Hauseingangsschlüssel der Abonnenten ausgehändigt, die sie entsprechend der neu zusammengestellten Touren umsortierte.
Nach Anhörung ihres Betriebsrats kündigte die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger schriftlich am 28. April 2012 zum 31. August 2012 wegen Stilllegung ihres Betriebs.
Am 18. Mai 2012 hat der Kläger eine dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs zum 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist. Die Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht München am 20. März 2013 - 1 Ca 5883/12 - rechtskräftig abgewiesen.
Zur Begründung der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Feststellungsklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass diese den Betrieb von der Beklagten zu 2. übernommen habe. Sie habe in vollem Umfang die bisherige Verteilung der Zeitungen nahtlos fortgeführt und die Hausschlüssel, die den Zugang zu den Abonnentenbriefkästen ermöglichten, von der Beklagten zu 2. übernommen. Diese Schlüssel seien entscheidend für die Zustellung der Zeitungen in die Hausbriefkästen in den frühen Morgenstunden und für die Ausübung der Kerntätigkeit des Zeitungszustellens unverzichtbar. Hintergrund der Neuvergabe des Auftrags an die Beklagte zu 1. sei es gewesen, dass der Betriebsrat der Beklagten zu 2. sich nach 18 Jahren ohne Lohnerhöhung für eine Erhöhung der Zustellvergütungen eingesetzt habe.
Soweit für die Revision von Belang hat der Kläger zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. zu unveränderten Bedingungen über den 29. Februar 2012 hinaus fortbesteht;
2. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zeitungszusteller weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten haben zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung bestritten, dass es zu einem Betriebsübergang gekommen sei. Dieser scheitere bereits daran, dass die Beklagte zu 1. einen betriebsmittelarmen Betrieb betreibe und keinen nach Zahl und Sachkunde erheblichen Teil der früheren Arbeitnehmer der Beklagten zu 2. übernommen habe. Die früher von der Beklagten zu 2. genutzten Hausschlüssel seien nur für rd. 80 % der Zustellungen erforderlich gewesen. Sie bildeten zudem nicht den eigentlichen Kern des wirtschaftlichen Wertschöpfungszusammenhangs, sondern seien ein reines Hilfsmittel. Es handele sich um einen Fall der Auftragsnachfolge, der keinen Betriebsübergang darstelle.
Das Arbeitsgericht hat den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klageanträgen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten zu 1. blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1., unterstützt durch die Beklagte zu 2. als Nebenintervenientin, ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Aus den Gründen
13 A. Die zulässige Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB infolge eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1. übergegangen.
14 Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die wirtschaftliche Identität des Betriebs der Beklagten zu 1. und zu 2. sei maßgeblich nicht durch die Arbeitskraft der beschäftigten Arbeitnehmer, sondern durch die genutzten Hausschlüssel zusammen mit anderen Kriterien geprägt. Die Schlüssel seien auf dem freien Markt nicht erhältlich, sondern nur über die jeweiligen Wohnungseigentümer oder Hausverwaltungen zu erlangen. Daher seien sie für die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit von deutlich größerer Bedeutung als Hilfsmittel, die der Auftragsnachfolger anderweitig käuflich erwerben könne und auf deren Übergabe er daher nicht angewiesen sei. Der Auftragsneuvergabe komme großes Gewicht zu, da sie nicht über den Wettbewerb auf dem freien Markt erfolgt sei, sondern von der S L GmbH und der sie beherrschenden S GmbH bewusst gesteuert worden sei. Ohne wesentliche Änderung sei innerhalb des Konzerns der Auftrag von einem Tochterunternehmen auf das andere verschoben worden. Dabei sei die S L GmbH nicht bereit gewesen, den Zustellauftrag der Beklagten zu 2. neu zu vergeben oder zu geänderten Bedingungen zu verlängern, ja überhaupt noch mit der Beklagten zu 2. über eine neue Auftragserteilung zu verhandeln. Der Auftragsnachfolge im Konzern werde auch im Kündigungsschutzrecht erhebliches Gewicht beigemessen. Die Entscheidung eines Unternehmens, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft mit von dieser neu einzustellenden Arbeitnehmern weiterbetreiben zu lassen, stelle kein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG dar. Diese Überlegung sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die im Konzern weiterbestehende Beschäftigungsmöglichkeit müsse im Rahmen einer Gesamtwürdigung als für einen Betriebsübergang sprechender Umstand angesehen werden.
15 B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
16 I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. nur EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 mwN; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39 mwN).
17 1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 31 mwN; vgl. auch BAG 10. November 2011 - 8 AZR 538/10 - Rn. 17).
18 2. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35 mwN, Slg. 2005, I-11237; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 22; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39).
19 3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49 ff., Slg. 2011, I-7491; vgl. auch 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 36, 39 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 41; 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 31).
20 4. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 39 ff., Slg. 2011, I-95; BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 30).
21 II. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend ein Betriebsübergang verneint werden.
22 1. Beim Betrieb der Beklagten zu 2. handelt es sich um eine eigenständige, abgrenzbare und auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit. Diese hat die Beklagte zu 1. aufgrund einer Gesamtbewertung nicht übernommen, sondern sie führt lediglich im Wege der Funktionsnachfolge einen Auftrag aus, der früher der Beklagten zu 2. erteilt worden war.
23 2. Die zu prüfenden Merkmale führen in der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt.
24 a) Bei Zustellbetrieben, wie sie beide Beklagten unterhalten bzw. unterhielten, handelt es sich um klassische Dienstleistungsunternehmen, bei denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht (BAG 25. Juni 2009 - 8 AZR 258/08 - Rn. 29). Fehlten nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte oder wurden sie nicht übernommen, so ist von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit dann auszugehen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Vorliegend hat die Beklagte zu 1. nur mit sieben der bei der Beklagten zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge abgeschlossen, wobei das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, dass es sich um den für die Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der Beklagten zu 2. handelte. Damit ist in Betrieben, in denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht (früher als „betriebsmittelarme Betriebe“ bezeichnet), eine wichtige Voraussetzung für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht erfüllt.
25 b) Immaterielle Aktiva bei einem Zeitungszustellbetrieb sind die Organisation und Durchführung und damit die Zuverlässigkeit der Zustellung. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte zu 1. diese immateriellen Aktiva nicht so wie die Beklagte zu 2. fortgeführt. Vielmehr hat sie die Zustellertouren neu zusammengestellt und sie um ein Drittel reduziert. Die Verteilstellen sind weggefallen, Großkunden werden außerhalb der Zustelltouren direkt beliefert. Rechtlich zutreffend ist daher das Landesarbeitsgericht der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Beklagte zu 1. die Tourenbücher der Beklagten zu 2. erhalten hat, nicht nachgegangen. Denn diese sind jedenfalls nicht weiterhin Grundlage des von der Beklagten zu 1. neu organisierten Betriebs der Zeitungszustellung geworden.
26 c) Ebenso zutreffend ist das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen, ob die Beklagte zu 1. teilweise Fahrräder oder Handwagen, die früher die Zusteller der Beklagten zu 2. benutzten, weiterhin in ihrem Betrieb verwendet. Es wurde weder vorgetragen noch festgestellt, dass diese Betriebsmittel Besonderheiten aufwiesen, etwa eine besondere werbliche Gestaltung, die ihre Beschaffung auf dem freien Markt nicht ohne Weiteres ermöglicht hätten. Es kann daher unterstellt werden, dass die Beklagte zu 1. derlei Hilfsmittel weiterverwendet.
27 Nicht ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht dagegen angenommen, dass die Übernahme der für die Zustellung wichtigen Hausschlüssel bei wertender Betrachtungsweise den „eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache“ und daher bei den Betrieben der Beklagten von betriebsmittelgeprägten wirtschaftlichen Einheiten auszugehen sei. Es trifft zu, dass die Hausschlüssel für etwa 80 % der Zustellungen unverzichtbar sind und ohne sie die Zeitungen nicht in die derzeit vorhandenen Briefkästen der Abonnenten eingeworfen werden könnten. Damit handelt es sich um ein materielles Betriebsmittel von Gewicht, aber auch nicht um mehr. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass die eigentliche Leistung der Zustellung nicht durch die Hausschlüssel, sondern nur mit ihrer Hilfe erbracht werden kann. Es handelt sich daher um wichtige Hilfsmittel, die jedoch nicht die Identität der Einheit prägen.
28 d) Bei den weiteren, den Vorgang kennzeichnenden Umständen ist zu berücksichtigen, ob sie eine „Übernahme“ iSd. Fortführung des beim potentiellen Veräußerer bestehenden Betriebs darstellen oder ob sie nicht vielmehr durch die Eigenart des übernommenen Auftrags bedingt sind und daher als Begleiterscheinung der Auftragsnachfolge nicht prägend für die Annahme eines Betriebsübergangs sein können.
29 aa) Die Beklagte zu 1. hat von der Beklagten zu 2. nicht „die Art ihres Unternehmens“ übernommen. Die Beklagte zu 1. war unstreitig schon vorher eine der Zustellgesellschaften, die die beiden Hauptgesellschafter unterhielten. Die vom Kläger betonte Umfirmierung der Beklagten zu 1. im Oktober 2011 ist rechtlich nicht erheblich. Der Unternehmenszweck der Beklagten zu 1. blieb unverändert und war auch schon vor der Umfirmierung auf die Zustellung von Printmedien im Gebiet der Landeshauptstadt München durch Austräger einer eigenen Zustellungsorganisation definiert. Die Beklagte zu 1. verfolgt also einen Unternehmenszweck, der schon vor der Übernahme des Zustellauftrags bestand und nicht etwa von der Beklagten zu 2. „übernommen“ wurde.
30 bb) Entsprechendes gilt für die Kontinuität des „Kunden“. Auch dieser Kunde und Auftraggeber, die S L GmbH, wurde nicht von der Beklagten zu 2. „übernommen“, sondern beide Beklagten hatten diesen Auftraggeber schon vor dem Wechsel als einzigen Kunden, wie andere Zustellgesellschaften, die die Gesellschafter neben den beiden Beklagten unterhalten.
31 cc) Es trifft zu, dass von beiden Beklagten der gleiche Zustellbereich bedient wird und dass dies ohne Unterbrechung nahtlos vom 29. Februar zum 1. März 2012 erfolgte. Dies beides liegt jedoch in der Natur dieser Auftragsnachfolge, ist also für sich genommen kein besonderes Indiz für einen Betriebsübergang. An sich richtig ist, dass vorliegend der Auftrag nicht über den freien Markt, sondern innerhalb des Unternehmensverbunds der S neu vergeben wurde. Die vom Landesarbeitsgericht übernommene Parallele in Sonderfällen des Kündigungsschutzgesetzes geht jedoch rechtlich zu weit. Eine Auftragsneuvergabe und Funktionsnachfolge wird nicht dadurch zum Betriebsübergang, dass sie im Rahmen eines Unternehmensverbunds oder Konzerns erfolgt.
32 In der Gesamtbetrachtung sprechen also unter Berücksichtigung der Eigenart des Betriebs, den sowohl die Beklagte zu 2. unterhielt als nunmehr die Beklagte zu 1. unterhält, nur Merkmale von geringerem Gewicht für einen Betriebsübergang. Außerhalb der Tatsache einer Auftragsnachfolge mit den damit notwendig verbundenen Merkmalen wie gleicher Zustellbezirk und nahtlose Fortsetzung der Zustellung, die für sich allein genommen einen Betriebsübergang nicht ausmachen können, ist es nur die Übernahme eines wichtigen, jedoch nicht prägenden materiellen Betriebsmittels. Die Kundenbeziehung sowie die Art des Unternehmens sind bei der Beklagten zu 1. schon vor der Auftragsübernahme festzustellen. Die Organisation der Zustellung hat die Beklagte zu 1. geändert. Die Übernahme des für das Dienstleistungsunternehmen prägenden Personals in nach Zahl oder Sachkunde wichtigen Teilen liegt nicht vor. Daher ist im Ergebnis ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. zu verneinen.
33 C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.