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Arbeitsrecht
24.07.2025
Arbeitsrecht
LAG Hessen: Abberufener Geschäftsführer – allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG

LAG Hessen, Urteil vom 28.2.2025 – 14 SLa 578/24

ECLI:DE:LAGHE:2025:0228.14SLA578.24.00

Volltext: BB-Online BBL2025-1784-1

unter www.betriebs-berater.de

LEITSATZ

Die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung des Arbeitnehmers nicht mehr bestanden hat, sich der Arbeitgeber in dem Arbeitsvertrag, der als einzige Vertragsgrundlage der Bestellung des Arbeitnehmers als Geschäftsführer zugrunde gelegen hat, eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers vorbehalten hat und zwischen Entfall der organschaftlichen Stellung und der Kündigung mehrere Wochen vergangen sind, in denen der Arbeitgeber nach einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gesucht hat.

§ 14 Abs. 1 KSchG

Sachverhalt

Die Parteien streiten zweitinstanzlich im Rahmen des mit der Berufung angegriffenen Teilurteils noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.

Der 53jährige, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten aufgrund eines Vertrags vom 31. März 2021 seit dem 1. April 2021 als "Geschäftsführer (Vice President für A)" zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von rund 20.429,34 Euro beschäftigt.

Der Vertrag lautet auszugsweise:

"§ 2

Aufgabengebiete

Der Mitarbeiter wird als Geschäftsführer der A (Vice President für A) eingestellt.

Der Mitarbeiter ist leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs.3 BetrVG. Er ist hierarchisch dem Generaldirektor der B in Deutschland (…) und funktional dem Generaldirektor der Marke A (...) unterstellt. (…)

§2a Geschäftsführertätigkeit

Im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter wird dieser auf Wunsch der Konzernleitung als Geschäftsführer bei der Gesellschaft oder einer anderen Konzerngesellschaft tätig. Ein Anspruch auf die Übertragung einer Geschäftsführerstelle wird durch diesen Vertrag nicht begründet. (….)

Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf Blatt 6 ff. d.A. verwiesen.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich Auszubildender in Vollzeit.

Nachdem der Kläger durch die Beklagte am 21. Mai 2021 zum Geschäftsführer bestellt worden war, wurde er am 6. Juli 2021 ins Handelsregister eingetragen.

Am 8. November 2022 teilte sein Vorgesetzter dem Kläger mit, dass die Beklagte ihn als Geschäftsführer abberufen werde. Am 5. Dezember 2022 wurde sodann an die Belegschaft kommuniziert, der Nachfolger des Klägers sei Herr C. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger nicht mehr als Vice President for A beschäftigt und nahm keine Geschäftsführeraufgaben mehr wahr. Er wurde fortan bei der Beklagten im Organigramm als seinem Nachfolger unterstellter "Special Project Manager" geführt. Der Kläger nahm keine Aufgaben oder Tätigkeiten als "Special Project Manager" wahr.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 1. Februar 2023 wurde die Bestellung des Klägers als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung widerrufen. Am 13. Februar 2023 erfolgten die Austragung des Klägers sowie die Eintragung des Herrn C als Geschäftsführer der Beklagten im Handelsregister.

Die Beklagte suchte für den Kläger nach dessen Abberufung als Geschäftsführer erfolglos eine gleichwertige Stelle. Der Kläger mahnte mit E-Mail vom 4. Mai 2023 eine vertragsgemäße Beschäftigung auf einer anderweitigen vergleichbaren Position bei der Beklagten an (Blatt 94 d.A.). Daraufhin teilte diese dem Kläger mit E-Mail vom 22. Mai 2023 mit, sie habe für ihn keine anderweitige vergleichbare Position gefunden (Blatt 94 d.A.).

Am 28. Juni 2023 erhielt der Kläger ein Kündigungsschreiben, das auf einem Briefkopf der Beklagten eine Kündigungserklärung zum Ablauf des 31. Dezember 2023, vorsorglich zum nächstmöglichen Zeitpunkt enthält. Das Kündigungsschreiben ist unterzeichnet wie folgt:

"A

Vertreten durch die Gesellschafterversammlung

diese wiederum vertreten durch Frau

D"

Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 22 d.A. verwiesen.

Frau D ist die HR-Direktorin der Beklagten und verfügt über Einzelprokura.

Der Kündigung vorausgegangen war ein Beschluss der Gesellschafterversammlung, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Dezember 2022 gekündigt werden sollte und Frau D bevollmächtigt wurde, die Kündigung zu erklären, zu unterzeichnen und zu übermitteln. Der Beschluss war dem Kündigungsschreiben beigefügt, wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Blatt 22 d.A. verwiesen.

Laut Erklärung der Parteien im Berufungstermin bestand zwischen dem Kläger und der B zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis, das einvernehmlich ruhend gestellt wurde. Insoweit wurde vereinbart, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten das Arbeitsverhältnis mit der B wieder auflebt und zwar mit der Vergütung, die zuletzt von der Beklagten gezahlt worden ist. Diesbezüglich wurde ein zweipoliger Vertrag geschlossen, an dem die hiesige Beklagte nicht beteiligt ist.

Bei der B handelt sich um die Rechtsvorgängerin der im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils erwähnten E, gegen die unter dem Az.: 6 SLa 736/24 am Hessischen Landesarbeitsgericht ein Änderungsschutzverfahren anhängig ist. Der Kläger ist dort zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beschäftigt.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens, ihrer Anträge, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat der Klage mit Teilurteil vom 2. Mai 2024 insoweit stattgeben, als es festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2023 nicht vor dem 31. Januar 2024 sein Ende gefunden hat. Im Übrigen hat es die Bestandsschutzklage abgewiesen. Auch den Weiterbeschäftigungsantrag und den Auskunftsantrag des Klägers – letztgenannter ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens- hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Es hat angenommen, bei der Bestandsschutzklage handele es sich um eine Kündigungsschutzklage iSd. § 4 KSchG, für die der Rechtsweg schon unter dem Gesichtspunkt der sic-non Fallgestaltung gegeben sei. Die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil ein unzuständiges Vertretungsorgan der Beklagten sie ausgesprochen habe. Frau D sei als HR-Direktorin durch Vorlage der Vollmacht bei der Kündigung zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt gewesen. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solcher gefehlt haben sollte, sei dies unschädlich, weil der Kläger die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung nicht "bei der Vornahme" beanstandet habe. Dementsprechend sei die Kündigung in entsprechender Anwendung von §§ 180 S. 2, 177 I BGB nur schwebend unwirksam. Spätestens mit dem von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gestellten Antrag, die Klageanträge abzuweisen, habe die Beklagte die von Frau D ausgesprochene Kündigung gem. §§ 180 S. 2, 177 Abs.1 BGB genehmigt. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei, auch wenn man das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis ansehe, nicht nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil das KSchG im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung finde. Grundlage der Bestellung des Klägers als Geschäftsführer sei der Vertragsschluss vom 31. März 2021 gewesen. Als Konsequenz dessen könne das mit dem Geschäftsführer bestehende Vertragsverhältnis gekündigt werden, ohne, dass diese Kündigung der sozialen Rechtfertigung bedürfe. Für die Beurteilung der Kündigung sei es unerheblich, dass der Kläger bereits aus seinem Amt als Geschäftsführer der Beklagten abberufen gewesen sei, bevor die Kündigungserklärung ihm zugegangen war. Es sei nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 KSchG nicht ausgeschlossen, dass sich die Fiktion uneingeschränkt auf dasjenige Anstellungsverhältnis beziehe, das schuldrechtliche Grundlage für die Organstellung ist oder gegebenenfalls auch war, solange es um die Kündigung allein dieses Vertragsverhältnisses gehe. Zwischen den Parteien habe nur ein Vertragsverhältnis, nämlich das vom 31. März 2021 bestanden und dieses sei ausweislich der Kündigungserklärung vom 28. Juni 2023 gekündigt worden. Dies sei entscheidend, darauf, ob zwischen der Abberufung als Geschäftsführer und dem Zugang der ordentlichen Kündigung ein enger zeitlicher Zusammenhang vorgelegen habe, komme es nicht an. Zum einen finde diese Auslegung keine Stütze im Wortlaut des § 14 Abs.1 Nr.1 KSchG, zum anderen sei der zeitliche Versatz von nahezu sieben Monaten dem Umstand geschuldet gewesen, dass die Beklagte versucht habe, dem Kläger eine neue adäquate Stelle anzubieten.

Die Kündigung sei auch nicht wegen einer unterbliebenen Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs.1 BetrVG unwirksam, weil der Kläger jedenfalls kein Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs.1 BetrVG sei.

Allerdings beende die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2023 das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 31. Januar 2024. Die in § 18 des Anstellungsvertrages vereinbarte Kündigungsfrist von sechs Monaten verstoße gegen die zwingende Vorschrift des § 622 Abs.2 Nr.7 BGB. Diese Vorschrift finde Anwendung, weil zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag und kein Dienstvertrag geschlossen worden sei.

Da der Anstellungsvertrag vom 31. März 2021 durch die Kündigung vom 28. Juni 2023 am 31. Januar 2024 sein Ende gefunden habe, seien die beiden Weiterbeschäftigungsanträge unbegründet.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 24. Januar 2024 (Bl. 145 ff. d.A.) festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt und diese begründet.

Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die streitgegenständliche Kündigung bereits deshalb unwirksam sei, weil sie vom einem nicht zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen zuständigen Organ ausgesprochen worden sei. Weder die Gesellschafter noch die Gesellschafterversammlung der Beklagten sei für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen zuständig und sie verfüge auch nicht über eine gewillkürte Vollmacht, die die Kündigung von Arbeitsverhältnissen umfasse. Frau D, die ihrerseits nicht über eine gesetzliche/organschaftliche Vertretungsmacht verfüge und ausweislich der klaren Angaben im Kündigungsschreiben vom 28. Juni 2023 nicht als Vertreterin des Herrn C aufgetreten sei, habe die Kündigung nicht in dessen Namen ausgesprochen und dementsprechend auch keine ihr von Herrn C erteilte Vertretungsmacht behauptet. Auf die Bevollmächtigung durch die Gesellschafterversammlung komme es nicht an und § 180 S. 2 BGB sei aus mehreren Gründen von vornherein nicht einschlägig, unter anderem, weil nicht die fehlende Existenz einer Bevollmächtigung der Stellvertreterin, sondern vielmehr die Unzuständigkeit des von der Stellvertreterin vertretenen Organs Gegenstand der Rüge sei.

Der Kläger meint weiterhin, das Arbeitsgericht Darmstadt habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass die Kündigung auch wegen fehlender sozialer Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 1, 2 KSchG unwirksam sei. Er habe zum Kündigungszeitpunkt allgemeinen Kündigungsschutz genossen, von dem er insbesondere nicht gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ausgenommen gewesen sei. Nach weit überwiegender Auffassung in der Literatur greife die Negativfiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht mehr, wenn der Gekündigte zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs kein Organvertreter mehr gewesen sei, mit der Folge, dass die Frage des Bestehens des Kündigungsschutzes iSd. § 1 KSchG sodann davon abhänge, ob das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei. Eine Gegenauffassung stelle darauf ab, ob die Beendigung der Organstellung und der Kündigungsausspruch zu einem identischen Lebenssachverhalt gehören; sei der Verlust der Organstellung nicht in "Kündigungsnähe" erfolgt, weil das bisherige Organ an anderer Stelle oder bis auf Weiteres nicht mehr als Organ weiterbeschäftigt worden sei, habe das ehemalige Organmitglied das "Arbeitgeberlager" verlassen und sperre § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht mehr, so dass es den allgemeinen Kündigungsschutz genieße, wenn das bisherige Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Inzwischen habe der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch in einem Urteil vom 20. Juli 2023 die Frage beantwortet: Für die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG komme es darauf an, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung noch bestanden habe.

Der Kläger meint, in der vorliegenden Fallgestaltung genieße er nach allen vertretenen Auffassungen Kündigungsschutz, weil seine Bestellung zum Geschäftsführer unstreitig ca. fünf Monate vor dem Kündigungszeitpunkt widerrufen worden sei und er seit Monaten als Geschäftsführer aus dem Handelsregister ausgetragen war. Insofern behauptet der Kläger weiterhin, er sei in dieser Zeit nicht von seiner Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung freigestellt gewesen und vertritt die Auffassung, zum Kündigungszeitpunkt habe er das "Arbeitgeberlager" längst verlassen gehabt.

Es sei auch schlichtweg falsch, wenn das Arbeitsgericht annehme, der Anstellungsvertrag vom 31. März 2021 sei ausschließlich die Vertragsgrundlage für seine Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer und für seine Geschäftsführertätigkeit gewesen und es seien abweichend davon keine Vertragsabreden getroffen worden. Die Parteien hätten im Anstellungsvertrag vom 31. März 2021 gerade nicht vereinbart, dass er zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt und als Organ tätig werden sollte. Vielmehr hätten sie sich lediglich auf seine Beschäftigung als "Vice President for A" geeinigt und seine Bestellung zum Organvertreter lediglich als allein im Ermessen der Beklagten liegende Option vorgesehen, auf die aber ausdrücklich kein Anspruch seinerseits habe bestehen sollen.

Schließlich vertritt der Kläger die Auffassung, die Kündigung sei auch mangels Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, er sei als Arbeitnehmer iSd. § 5 Abs. 1 BetrVG anzusehen.

Der Kläger beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 2. Mai 2024 – 8 Ca 153/23 – teilweise abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2023 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsvertrags-bedingungen als Vice President for A weiter zu beschäftigen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsvertrags-bedingungen als Special Project Manager weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung.

Sie ist der Auffassung, die Kündigung sei von dem dafür zuständigen Organ ausgesprochen worden. Die Zuständigkeit der Gesellschafter zum Ausspruch einer Kündigung des Klägers folge als Annexkompetenz aus § 46 Nr. 5 GmbHG, unabhängig davon, ob es sich hier um einen Dienstvertrag oder einen Arbeitsvertrag handele.

Die Beklagte meint weiterhin, der Kläger genieße keinen allgemeinen Kündigungsschutz, weil es sich bei dem abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 31. März 2021 um einen Dienstvertrag handele. Das Arbeitsgericht habe aber unabhängig davon zutreffend festgestellt, dass der Kläger auch als Arbeitnehmer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz genieße, da seine Organstellung als Geschäftsführer auf Grundlage des streitgegenständlichen Anstellungsvertrages erfolgt sei. Sie behauptet insofern, der Kläger sei aufgrund § 2 Abs. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrages vom 31. März 2021 als Geschäftsführer eingestellt worden und bei dem Klammerzusatz "Vice President for A" handele es sich nur um eine ergänzende Beschreibung, die jedoch keine Position bezeichne. Der Kläger sei sodann im Zusammenhang mit seiner Abberufung freigestellt worden und habe sich nicht aufgrund einer Zuweisung der Tätigkeit als "Special Project Manager" für den Fall eines "Special Projects" bereithalten sollen. Diese Position sei ihm ausschließlich intern aus organisatorischen Gründen, insbesondere im Hinblick auf eine reibungslose Abrechnung, in ihrem Organigramm zugeordnet worden.

Ebenso sei das Arbeitsgericht zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass es für die Kündigung unerheblich gewesen sei, dass der Kläger bereits von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen gewesen sei, bevor ihm die Kündigungserklärung zuging. Die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 KSchG greife auch dann ein, wenn der Geschäftsführer materiell-rechtlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei, etwa, weil er sein Amt bereits vor Zugang der Kündigung niedergelegt habe. Ansonsten hinge die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes von dem von Zufälligkeiten abhängigen Zeitpunkt der Kündigung ab. Schließlich könne ein Geschäftsführer jederzeit auch selbst sein Amt niederlegen und sich dann vermeintlich allein dadurch in den Genuss des Kündigungsschutzes bringen. Es komme für § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch nicht darauf an, dass zwischen der Abberufung als Geschäftsführer und dem Zugang der Kündigung ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe. Ein unmittelbarer Zusammenhang -wenn man diesen denn für nötig halte- sei gegeben, denn sie habe dem Kläger nur deshalb nicht vor oder bei Abberufung gekündigt, weil sie für ihn nach einer neuen Beschäftigungsmöglichkeit gesucht habe. Die Ansicht des Klägers, dass die Herausnahme von Geschäftsführern aus dem allgemeinen Kündigungsschutz nach Abberufung unbillig sei, sofern die Beschäftigung auf Grundlage eines Arbeitsvertrages erfolge, und nicht vom Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG umfasst sei, sei nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil sei dies aufgrund der besonderen Stellung eines Geschäftsführers, der im Lager des Arbeitgebers stehe, in der Regel in einem Unternehmen auf keiner vergleichbaren Position weiterbeschäftigt werden könne und zudem eine – nicht mit einem "normalen" Arbeitnehmer vergleichbare – hohe Vergütung erhalte, nicht geboten.

Das Arbeitsgericht gehe schließlich rechtsfehlerfrei davon aus, dass § 102 BetrVG keine Anwendung finde, da der Kläger ausschließlich auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 31.März 2021 als Geschäftsführer beschäftigt und auch bestellt worden sei. Bei zutreffender rechtlicher Würdigung sei er jedenfalls kein Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.

Wegen des weiteren beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2025 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

 

I. Die Berufung ist statthaft, §§ 8 Abs.2 ArbGG, 511 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 2 c) ArbGG, und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs.1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO, und damit insgesamt zulässig.

 

II. Die Berufung ist in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

 

1. Die Kündigungsschutzklage ist zulässig und begründet. Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis, dass durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2023 nicht aufgelöst worden ist.

 

a) Insofern kann offen bleiben, ob die Gesellschafterversammlung, die die Kündigung ausdrücklich im Namen der Beklagten ausgesprochen hat, wegen der Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG (BGH 3. Juli 2018 – II ZR 452/17-juris; BGH 8. Dezember 1997 – II ZR 236/96 – juris; LAG Berlin-Brandenburg 12. Juni 2019 – 20 Sa 1689/18 – juris) trotz der schon einige Monate zurückliegenden Abberufung des Klägers als Geschäftsführer das zuständige Organ für den Ausspruch der Kündigung war, wofür allerdings viel spricht (vgl. BGH 3. Juli 2018 – II ZR 452/17-juris; OLG Köln 6. Dezember 1999 – 16 U 94/98- juris).

 

b) Auch, wenn man die formale Wirksamkeit der Kündigung zugunsten der Beklagten unterstellt, ist die Kündigung jedenfalls mangels sozialer Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam.

 

aa) Die Kündigung des Klägers bedurfte der sozialen Rechtfertigung. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes finden Anwendung.

 

(1) Bei der Kündigung vom 28. Juni 2023 handelt es sich um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Hiervon hat die Kammer ohne eigene Prüfung auszugehen, weil das Arbeitsgerichts rechtskräftig festgestellt hat, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2023 nicht vor dem 31. Januar 2024 geendet hat.

 

(a) Die einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebende Entscheidung enthält zugleich die Feststellung, dass zum angestrebten Auflösungszeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat (sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff, BAG, 16. Dezember 2021 – 6 AZR 154/21 – BAGE 177, 36). Die Beurteilung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder sonstiges Dienstverhältnis ist nicht allein Vorfrage für die positive Entscheidung über den Bestandsschutzantrag, sondern zugleich Gegenstand des Entscheidungsausspruchs (BAG 28. November 2007 – 5 AZR 952/06 – juris [BB 2008, 900 Ls.]). Es mag dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welchen Fällen die Auslegung des Entscheidungsausspruchs trotz eines dem § 4 KSchG entsprechenden Wortlauts etwas anderes ergeben kann. Jedenfalls dann, wenn die Statusfrage von den Parteien zumindest konkludent zur Entscheidung gestellt wird, enthält die Kündigungsschutzklage auch eine sog. Statusklage. Mit der stattgebenden Entscheidung über die Kündigungsschutzklage wird zugleich positiv über die Statusklage entschieden (BAG 28. November 2007 – 5 AZR 952/06 – juris [BB 2008, 900 Ls.]).

 

(b) So liegt der Fall hier.

Dass der Kläger Kündigungsschutzklage gem. § 4 Satz 1 KSchG erhoben hat, ergibt sich schon daraus, dass er die allgemeine Feststellungsklage, die er ursprünglich iSe. Schleppnetzantrags angekündigt hatte, im Kammertermin vom 2. Mai 2024 zurückgenommen hat. Auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 30. Oktober 2023 (Bl. 66 d.A.) lässt der Kläger ausführen, dass er seine Klage ausschließlich auf den Bestandsschutz im Hinblick auf ein mit der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis beziehe und hat damit die Statusklage zur Entscheidung gestellt.

Diesem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG – und nicht etwa der zurückgenommenen Feststellungsklage nach § 256 ZPO- hat das Arbeitsgericht teilweise stattgegeben und in den Gründen ausdrücklich ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis.

 

(c) Die teilweise Anfechtung des Urteils hemmt dessen Rechtskraft nur solange, wie die Erweiterung des Rechtsmittelantrags noch möglich und solange ein Anschlussrechtsmittel noch zulässig ist. Die Beklagte hat gegen das Teilurteil innerhalb der Rechtsmittelfrist kein Rechtsmittel eingelegt.

 

(2) Die Anwendung des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes, ist nicht gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts reicht es für das Eingreifen der Negativfiktion nach § 14 Abs. 1 KSchG nicht aus, dass schuldrechtliche Grundlage der Bestellung des Klägers als Geschäftsführer der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 31. März war. Maßgeblich für das Eingreifen der Negativfiktion ist viel mehr, ob die Organstellung im Zeitpunkt der Kündigung noch bestand oder nicht [ebenso BAG 23. Februar 2017 – 6 AZR 665/15 – juris (dort nicht entscheidungserheblich); LAG Schleswig-Holstein 9. September 2009 – 3 Sa 133/09 – juris; LAG Berlin-Brandenburg, 21. November 2018 – 17 Sa 916/18 – juris; ErfK/Kiel Rn. 5; Ascheid/Preis/Schmidt/Biebl KSchG § 14 Rn. 3; NK-ArbR/Eylert KSchG § 14 Rn. 13; Zumseil NZA 2020, 1448, 1453; Baumert NZG 2018, 536,538; a.A.: KR/Kreutzberg-Kowalczyk, § 14 KSchG Rn. 7; Lunk NZG 2024, 60, 62).

 

(a) Zwar nimmt das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. September 2017 (2 AZR 865/16 – juris) iSe. obiter dictums an, es sei nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen, dass sich die Fiktion des § 14 Abs. 1 KSchG uneingeschränkt auf dasjenige Anstellungsverhältnis beziehe, das schuldrechtliche Grundlage für die Organstellung ist oder ggf. auch war, solange es um die Kündigung allein dieses Vertragsverhältnisses gehe. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen. Im Ergebnis ist § 14 Abs. 1 KSchG dahingehend auszulegen, dass die dort geregelte Negativfiktion voraussetzt, dass der Kündigungsempfänger zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs Organ bzw. Organmitglied des Arbeitgebers ist.

 

(aa) Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (vgl. nur BAG 25. Januar 2024 – 8 AZR 318/22 – juris).

 

(bb) Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 KSchG legt die vom Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung für möglich gehaltene Auslegung nicht nahe, da er für die negative Fiktion ausdrücklich an die Person des Kündigungsempfängers anknüpft, die zur gesetzlichen Vertretung des Arbeitgebers berufen ist und nicht an das zu kündigende Vertragsverhältnis. Auch die Überschrift des § 14 KSchG spricht dafür, dass sich die Vorschrift auf die Eigenschaft einer bestimmten Personengruppe bezieht und nicht auf die Verträge, die dieser –bei Kündigungszugang nicht mehr vorliegenden – Eigenschaft zugrunde lagen.

 

(cc) Gegen die vom Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung erwogene Auslegung des § 14 Abs. 1 KSchG sprechen zudem systematische Erwägungen (ebenso ErfK/Kiel Rn. 5; Baumert NZG 2018, 536,538).

§ 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG setzt – das in Rechtsprechung oder Literatur etwas Abweichendes vertreten wird, ist nicht ersichtlich – voraus, dass der gekündigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Geschäftsführer, Betriebsleiter oder ähnlicher leitender Angestellter ist. Für die erleichterte Auflösung des Arbeitsverhältnisses reicht es damit nicht aus, dass der Arbeitnehmer noch aufgrund desjenigen Arbeitsvertrags beschäftigt wird, der die schuldrechtliche Grundlage einer entsprechenden, inzwischen aber beendeten Stellung bildete, wenn er nunmehr aufgrund dieses Vertrags mit anderen Tätigkeiten beschäftigt wird, eine Änderung des Vertrags also nicht vorliegt. Eine solche Konstellation mag die Ausnahme darstellen, undenkbar ist sie nicht. Wenn im Rahmen des § 14 Abs. 1 KSchG an das der beendeten Stellung zugrundeliegende Vertragsverhältnis anzuknüpfen sein sollte, während es im Rahmen des § 14 Abs. 2 KSchG auf die Stellung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt ankommen soll, hätte dies einer Klarstellung im Gesetzestext bedurft.

Zudem widerspräche eine entsprechende Auslegung des § 14 Abs. 1 KSchG der Regelungskonzeption des § 14 KSchG.

Maßgebend für die Regelung in § 14 Abs. 1 KSchG ist, dass der gesetzliche Vertreter das Willensorgan der juristischen Person oder Personengesamtheit ist, durch das sie handelt, das für sie damit auch die Arbeitgeberfunktionen ausüben muss, und deshalb in jedem Falle von dem allgemeinen Kündigungsschutz ausgeschlossen sein soll (BAG 17. Januar 2002 – 2 AZR 719/00 – BAGE 100, 182; BAG 11. April 1997 – 5 AZB 32/96 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 47). Die mit dem Amt verbundenen Rechtsstellung bildet den Sachgrund für die Herausnahme der Organvertreter aus dem allgemeinen Kündigungsschutz (BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 – juris). Eben diese Situation besteht aber nicht mehr, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer die Organstellung nicht mehr innehat. Er kann dann gerade keine Arbeitgeberfunktion mehr ausüben. Insoweit vermag es nicht zu überzeugen, wenn Lunk (NZG 2024, 60, 62) argumentiert, der Betroffene verlasse das Arbeitgeberlager nicht unmittelbar mit dem Amtsverlust, denn eben das ist rechtlich der Fall; mag auch noch eine Nähe zum Arbeitgeberlager bestehen, so ist der ehemalige Geschäftsführer eben nicht mehr "arbeitgeberähnliche Person", sondern wechselt ins Arbeitnehmernehmerlager. Dies deckt sich im Übrigen mit der Annahme des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20. Juli 2023 – 6 AZR 228/22 – Rz. 23, juris), wonach bei einem Geschäftsführer, der aufgrund eines Arbeitsvertrags tätig wird, das aus § 106 GewO folgende Direktionsrecht des Arbeitgebers, soweit es mit der Organstellung unvereinbar ist, stillschweigend für die Dauer der Bestellung beschränkt ist und mit dem Ende der Bestellung wiederauflebt.

Die Unterscheidung zwischen den § 14 Abs. 1 KSchG einerseits und den § 14 Abs. 2 KSchG andererseits unterfallenden Personen, die ebenfalls eine gewisse Nähe zum Arbeitgeberlager aufweisen und besonderes Vertrauen in Anspruch nehmen und für die der allgemeine Kündigungsschutz grundsätzlich gilt, ist gerade (nur) wegen der mit dem Amt verbundenen Rechtsstellung der § 14 Abs. 1 KSchG unterfallenden Personen gerechtfertigt. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nichtleitenden Arbeitnehmern, so dass die in § 14 KSchG vorgenommene Unterscheidung beider Gruppen nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt (BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 – juris). Entfällt dieses Amt und damit die Vertretungsbefugnisse, ist es sachlich nicht mehr gerechtfertigt, den ehemaligen Geschäftsführer iSd. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG kündigungsschutzrechtlich schlechter zu stellen, als den sonstigen leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 KSchG, der diese Stellung bei Zugang der Kündigung noch innehat.

Schließlich führte die Anknüpfung an das der Organstellung zugrundeliegende Schuldverhältnis im Ergebnis dazu, dass nicht, wie sonst im Kündigungsrecht wegen § 130 Abs. 1 BGB zwingend, die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, sondern gewissermaßen ein über den gesamten Bestand des Arbeitsverhältnisses existierender Dauertatbestand maßgeblich wäre. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auch bei dieser Betrachtungsweise der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entscheidend wäre, weil nämlich zu diesem Zeitpunkt das der Bestellung zugrundeliegende Vertragsverhältnis noch bestehen muss. Dies führt allerdings zu einem Zirkelschluss- das Arbeitsverhältnis, dass die Grundlage der Bestellung bildete, könnte ohne Kündigungsgründe gekündigt werden, weil es zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch besteht.

Dabei hätte eine solche Betrachtungsweise, anders als die Anknüpfung an das Bestehen der Amtsstellung zum Kündigungszeitpunkt, erhebliche Rechtsunsicherheiten zur Folge. Es wäre nämlich fraglich, wann die Negativfiktion des § 14 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen wäre: Erst mit einer anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers, die einer konkludenten Vertragsänderung desjenigen Vertrags bedarf, der der Organstellung des Arbeitnehmers ursprünglich zugrunde lag, auch mit einer weiteren Beschäftigung des Arbeitnehmers, die keiner solchen konkludenten Vertragsänderung bedarf, schon mit der bloßen vertraglichen Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung oder bereits mit einer – längeren oder auch kurzen? ausdrücklichen oder rein faktischen? – Freistellung?

 

(dd) Auch das Argument, wenn das für die Beibehaltung der Organstellung notwenige Vertrauen fehle, entfalle regelmäßig auch die Basis für die Fortsetzung des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses (BAG 21. September 2017 - 2 AZR 865/16 – juris) vermag nicht zu rechtfertigen, dem ehemaligen Geschäftsführer allgemeinen Kündigungsschutz vollständig zu versagen. Das besondere Lösungsinteresse des Arbeitgebers betreffend Personen, die eine besondere Vertrauensstellung einnehmen, ist bereits Grund für die Regelung in § 14 Abs. 2 KSchG (vgl. BT-Drs. V/3913 S. 9), so dass es für eine darüberhinausgehende Beschränkung des Kündigungsschutzes zusätzlicher Gründe bedarf. Warum das Schutzbedürfnis des Arbeitsgebers im Falle des ehemaligen Geschäftsführers höher zu bewerten sein soll, als im Falle eines Arbeitnehmers iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist nicht erkennbar.

Zudem hat es der Arbeitgeber in der Hand, anlässlich der Berufung eines Arbeitnehmers zum Organ einer juristischen Person einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen, bzw. im Falle der Neueinstellung, dem zu bestellenden Geschäftsführer ausschließlich einen Dienstvertrag anzubieten. Stellt wie im vorliegenden Fall ein Arbeitsvertrag die Grundlage für die Geschäftsführertätigkeit dar, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vor oder zugleich mit der Abberufung als Geschäftsführer kündigen und so den allgemeinen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG verhindern. Legt der Arbeitnehmer vor Zugang dieser Kündigung sein Amt als Geschäftsführer allein deshalb nieder, um in den Genuss des Kündigungsschutzes zu gelangen, wird er sich in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB hierauf nicht berufen können. Sieht der Arbeitgeber jedoch von sich aus davon ab, das Arbeitsverhältnis während der Organstellung des Arbeitnehmers zu kündigen, muss er die rechtlichen Folgen seines Handelns tragen und kann das Arbeitsverhältnis nunmehr nur unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen beenden (ebenso LAG Berlin-Brandenburg, 21. November 2018 – 17 Sa 916/18 – juris).

 

(ee) Soweit gegen die hier vertretene Auslegung angeführt wird, sie hätte zufällige Ergebnisse zur Folge (etwa Lunk NZG 2024, 60, 62), vermag dies nicht zu überzeugen. Dass es von Zufällen abhängen kann, welchen Grad des Kündigungsschutzes ein Arbeitnehmer genießt, ist zahlreichen Kündigungsschutzvorschriften immanent. Ob etwa eine schwangere Arbeitnehmerin sich erfolgreich auf Sonderkündigungsschutz nach § 17 KSchG berufen kann, hängt von dem Zufall ab, ob ihr die Kündigung innerhalb von 280 Tagen vor dem ärztlich bescheinigten Tag der Niederkunft zugeht, obgleich diejenige Frau, der sie 281 Tage vor der errechneten Niederkunft zugeht, sicher nicht weniger schutzwürdig ist. Auch dass der Arbeitnehmer das Eingreifen von Kündigungsschutz selbst beeinflussen kann – etwa indem er einen Antrag auf Elternteilzeit stellt oder Mitglied des Wahlvorstands wird– stellt keine rechtliche Besonderheit dar und ist bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs hinzunehmen.

 

(b) Selbst wenn man aber entgegen der hier vertretenen Ansicht annimmt, dass für das Eingreifen von § 14 Abs. 1 KSchG auf das der Bestellung zum Organvertreter zugrundeliegende Vertragsverhältnis abzustellen ist und § 14 Abs. 1 KSchG deshalb auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn die Organstellung zum Kündigungszeitpunkt nicht mehr besteht, kann dies jedenfalls nur gelten, wenn der Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen ist, dass der Arbeitnehmer ausschließlich eine Tätigkeit im Rahmen der Organstellung schulden soll. Nur dann ist das Vertragsverhältnis nach dem Willen der Parteien derart an die Amtsstellung des Arbeitnehmers gebunden, dass es gerechtfertigt sein kann, dem Arbeitnehmer nach Entfallen dieser Amtsstellung allgemeinen Kündigungsschutz zu versagen. Nimmt der Arbeitgeber dagegen ausdrücklich das Recht in Anspruch, dem Arbeitnehmer unabhängig von dessen Organstellung Arbeitsaufgaben zuzuweisen, muss die Negativfiktion des § 14 Abs. 1 KSchG mit dem Ende der Organstellung entfallen. Insofern kann es auch nicht darauf ankommen, ob dies rechtlich möglich ist. Es ist widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber einerseits zum Ausdruck bringt, sich eine Beschäftigung des Arbeitnehmers unabhängig von dessen Amtsstellung vorstellen zu können und diese auch beanspruchen zu wollen, andererseits aber im Entfallen der Amtsstellung allein einen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erblickt, so dass es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht ankommen soll.

So verhält es sich hier. Die Beklagte hat sich in § 2 des Vertrags vom 31. März 2021 ausdrücklich das Recht vorbehalten, dem Kläger auch andere, gleichwertige Arbeiten als die des Geschäftsführers zuzuweisen, sofern dies aus sachlichen Gründen erforderlich ist. In § 2 a des Vertrags wird festgestellt, der Kläger habe trotz seiner Einstellung als Geschäftsführer keinen Anspruch auf die Übertragung dieses Amtes. Dies bezieht sich nach dem klaren Wortlaut der Klausel – unabhängig von der Frage ihrer Wirksamkeit – nicht nur auf die Übertragung einer Geschäftsführerstelle bei einer Konzerngesellschaft, sondern auch auf die Übertragung einer Geschäftsführerstelle bei "der Gesellschaft", also bei der Beklagten. Ebenfalls soll es nach § 2a des Vertrags möglich sein, den Kläger als Geschäftsführer einer Konzerngesellschaft einzusetzen. Auch in diesem Fall griffe die Negativfiktion des § 14 Abs. 1 KSchG nicht, wenn der Kläger nicht gleichzeitig Geschäftsführer der Beklagten bliebe. Damit haben die Parteien gerade vereinbart, dass der Arbeitsvertrag zwischen ihnen nicht nur vor dem Hintergrund einer Amtsstellung des Klägers bei der Beklagten geschlossen wurde. Dem entspricht es, dass der Kläger erst mehrere Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses zum Geschäftsführer ernannt wurde und dieses gerade nicht in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende der Geschäftsführerstellung beendet wurde, sondern die Beklagte für sich das Recht in Anspruch nahm (und sich spiegelbildlich auch verpflichtet fühlte), dem Kläger eine anderweitige, gleichwertige Arbeit zuzuweisen.

 

bb) Die Sozialwidrigkeit der Kündigung ist zu prüfen, da der Kläger innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben hat und diese demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden ist.

 

cc) Die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG. Die Beklagte hat sich nicht auf Kündigungsgründe berufen, sondern ist der Auffassung gewesen, solche nicht zu benötigen. Insofern ist durch die Kammer das Vorliegen von die Kündigung sozial rechtfertigenden Kündigungsgründen nicht zu prüfen.

Selbst wenn man dies jedoch anders beurteilt, kann allein aus der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer nicht auf einen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger und damit auf das Vorliegen betriebsbedingter Gründe geschlossen werden, denn es ist nicht erkennbar, ob und inwieweit die vom Kläger ausgeführten Aufgaben zwingend der Organstellung bedürfen, zumal der Kläger erst mehrere Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses als Geschäftsführer bestellt worden ist und nicht angenommen werden kann, dass er bis zu diesem Zeitpunkt keine Arbeitsleistung erbracht hat.

 

2. Der Antrag zu 2) hat keinen Erfolg. Er ist mangels ausreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

 

a) Die ausreichende Bestimmtheit eines Antrags setzt voraus, dass ein ihm entsprechender Titel vollstreckungsfähig ist. Die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels auf Weiterbeschäftigung ist zu bejahen, wenn die zutreffende Beschäftigungsweise unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen des Urteils für einen unbeteiligten Dritten aus sich heraus eindeutig erkennbar ist (Hess. LAG 16. Mai 2003 - 16 Ta 158/03 - juris; Hess. LAG 13. Juli 1987 - 1 Ta 151/87 - NZA 1988, 175; LAG Hamm 21. November 1989 - 7 Ta 475/89 - NZA 1990, 327). Der Titel muss verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht. Für den Arbeitgeber muss aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder der sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel nicht enthalten. Es genügt, wenn er das Berufsbild bezeichnet, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG 5. Februar 2020 – 10 AZB 31/19 – juris).

 

b) Dies ist hier nicht der Fall. Nach dem Vortrag der Beklagten, dem der Kläger nicht hinreichend entgegengetreten ist, handelt es sich bei dem Klammerzusatz "Vice President for A" nicht um eine eigenständige Position, mit der bestimmte Arbeitsaufgaben verbunden wären. Zudem trägt der Kläger selbst vor, dass es sich bei der Bezeichnung "Vice President" um eine Hierarchiestufe handelt. Der Kläger legt nicht dar, welche von seiner Geschäftsführerstellung unabhängige Arbeitsaufgaben dem "Vice President for A" zugeordnet sein sollen. Dementsprechend wäre bei einer dem Antrag entsprechenden Tenorierung auch nicht feststellbar, mit welcher Art der Beschäftigung die Beklagte dem Titel Folge leistete.

 

3. Auch der nach Eintritt der prozessualen Bedingung – Unterliegen mit dem Antrag zu 2) - zu bescheidende Weiterbeschäftigungsantrag als "Special Project Manager" hat keinen Erfolg. Er ist ebenfalls unzulässig. Auch hier fehlt es an der Vollstreckungsfähigkeit eines dem Antrag entsprechenden Titels, weil die zutreffende Beschäftigungsweise nicht unter Heranziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen des Urteils für einen unbeteiligten Dritten aus sich heraus eindeutig erkennbar ist (Hess. LAG 16. 05. 2003 - 16 Ta 158/03 - juris; Hess. LAG 13.07. 1987 - 1 Ta 151/87 - NZA 1988, 175; LAG Hamm 21.11. 1989 - 7 Ta 475/89 - NZA 1990, 327) und der Titel nicht verdeutlichte, um welche Art von Beschäftigung es geht (BAG 5. Februar 2020 – 10 AZB 31/19 – juris). Es handelt sich insofern nicht um ein Berufsbild, dessen Inhalt objektiv feststeht. Was ein "Spezial Projekt" ist, ist nicht spezifiziert, nicht einmal, aus welchem Fachbereich das jeweilige Projekt stammen soll. Der Kläger ist auch unstreitig niemals auf dieser Position tätig geworden. Nach dem Vortrag der Beklagten, dem der Kläger ebenfalls nicht hinreichend entgegengetreten ist, handelt es sich bei der Position des "Special Project Manager" um eine Position, die dem Kläger ausschließlich intern aus organisatorischen Gründen, insbesondere im Hinblick auf eine reibungslose Abrechnung, im Organigramm der Beklagten zugeordnet wurde, der aber keine bestimmten Arbeitsaufgaben zugeordnet wurden. Der für die Zulässigkeit seines Antrags darlegungspflichtige Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.

 

III. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Der Kläger hat mit seinem Hauptantrag zu 1) obsiegt und ist mit dem Hauptantrag zu 2) und dem Hilfsantrag unterlegen, was einer Obsiegensquote von 3/5 entspricht. Eine Entscheidung über die Kosten des noch nicht vollständig abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens war wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit nicht zu treffen.

 

IV. Die Zulassung der Revision für die Beklagte beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Ob und unter welchen Umständen ein zunächst abberufener und später gekündigter Geschäftsführer, der aufgrund eines Arbeitsvertrags als Geschäftsführer tätig war, vor dem Hintergrund der Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG allgemeinen Kündigungsschutz genießt, stellt eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Die Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden. Im Urteil vom 21. September 2017 (-2 AZR 865/16- juris) hat der Zweite Senat die dort nicht entscheidungserhebliche Frage ausdrücklich offengelassen. Auch in der Entscheidung vom 20. Juli 2023 (- 6 AZR 228/22 – juris) lässt der Sechste Senat diese dort ebenfalls nicht entscheidungserhebliche Rechtsfrage offen, wenn er hinsichtlich des Ausschlusses der Geltung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes für Organmitglieder formuliert: "Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht" und insofern die Entscheidung vom 21. September 2017 (-2 AZR 865/16- juris) als Fundstelle angibt. In der zeitlich früheren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Februar 2017 (– 6 AZR 665/15 – juris) kam es auf die Frage, ob § 14 Abs. 1 KSchG gilt, wenn der Arbeitnehmer bei Zugang der Kündigung die Organstellung nicht mehr innehat, ebenfalls nicht an, weil dies dort der Fall war.

 

Für den Kläger war die Zulassung der Revision durch keinen der gesetzlich vorgesehenen Gründe veranlasst.

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