BAG: Übergang des Arbeitsverhältnisses von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf die Optionskommune - Stufenzuordnung - Stufenlaufzeit - zwingende Berücksichtigung der durch eine Tätigkeit in der Grundsicherung bei der BA erworbenen Berufserfahrung
Das BAG hat mit Urteil vom 17.3.2016 – 6 AZR 96/15 – wie folgt entschieden:
1. Nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II treten nur die Beschäftigten der BA in den Dienst des kommunalen Trägers über, die am Tag vor dessen Zulassung und mindestens 24 Monate davor Aufgaben der BA in der Grundsicherung wahrgenommen haben. Dabei stehen Unterbrechungen der tatsächlichen Tätigkeit, zu denen es im Referenzzeitraum kommt, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, sofern diese Unterbrechungen nach § 19 Abs. 6 TV-BA für die Laufzeit in den Entwicklungsstufen unschädlich sind. Insoweit tritt kraft tariflich angeordneter Fiktion kein Verlust an Erfahrungswissen ein. Darum ist ua. Elternzeit grundsätzlich als Beschäftigungszeit zu werten. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn im Referenzzeitraum keinerlei aktive Tätigkeit in der Grundsicherung ausgeübt wird.
2. Gemäß § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II sind vom Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Kommune die bei dieser geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden. Das ist in der Regel der TVöD-V. Dieser enthält jedoch keine Regelung zur Stufenzuordnung der übergegangenen Beschäftigten. Eine Einstellung iSv. § 16 Abs. 2 TVöD-V liegt nicht vor. Insoweit besteht eine unbewusste Regelungslücke, die dahin zu schließen ist, dass die Beschäftigten der Stufe zuzuordnen sind, die ihrer bei der BA im Bereich der Grundsicherung erworbenen Berufserfahrung entspricht. Insoweit sind § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 sowie § 17 Abs. 3 TVöD-V analog anzuwenden.
3. Soweit gemäß § 16 Abs. 2a TVöD-V der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Stufe bei der Stufenzuordnung ganz oder teilweise berücksichtigen kann, ist diese Bestimmung zur Lückenschließung nicht geeignet. Eine Vorschrift, die es wie § 16 Abs. 2a TVöD-V in das Ermessen des Arbeitgebers stellt, ob und in welchem Umfang er die im Arbeitsverhältnis mit der BA erworbene Berufserfahrung anerkennt, wird dem gesetzgeberischen Ziel,
dem kommunalen Träger die Erfahrung und die Fachkompetenz der von der BA übernommenen Beschäftigten zur Verfügung zu stellen und zugleich den tarifvertraglichen Status der übernommenen Beschäftigten und damit deren Besitzstand zu sichern, nicht gerecht.
4. Die Kommune muss jedoch keine fiktive Überleitung der übernommenen Beschäftigten in den TVöD-V für die Zeit vor dem Übergang des Arbeitsverhältnisses durchführen. Die übernommenen Beschäftigten sind allein bei der Stufenzuordnung so zu stellen, als habe ihr Arbeitsverhältnis vom Beginn ihrer Tätigkeit in der Grundsicherung an mit dem aufnehmenden kommunalen Träger bestanden.
5. Die Darlegungslast für die bei der BA erworbene Erfahrung durch eine Tätigkeit in der Grundsicherung trifft den übernommenen Arbeitnehmer. Dieser Darlegungslast genügt er nicht durch den Hinweis auf die bei der BA erreichte Entwicklungsstufe. Die Kommune tritt nicht in die bei der BA erreichte Entwicklungsstufe ein, sondern muss lediglich die in der Grundsicherung erworbene Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung nach dem TVöD-V uneingeschränkt berücksichtigen. Der übernommene Arbeitnehmer muss daher darlegen, seit wann er bei der BA Erfahrung durch eine Tätigkeit im Bereich der Grundsicherung erworben hat.
SGB II § 6c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 und Satz 3, Abs. 5; TVöD-V § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2a, Abs. 3, § 17 Abs. 3; Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom 28. März 2006 § 19 Abs. 6; GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 256 Abs. 1