BAG: Öffentlichkeitsgrundsatz - Fortsetzung der Beweisaufnahme im Dienstzimmer des Vorsitzenden - Information der Öffentlichkeit über die Verlegung
Das BAG hat mit Beschluss vom 22.9.2016 – 6 AZN 376/16 – wie folgt entschieden:
1. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, der zu den Prinzipien demokratischer Rechtspflege gehört und in § 169 Satz 1 GVG niedergelegt ist, verlangt, dass jedermann bei der Sitzung anwesend sein kann. Dadurch soll eine der öffentlichen Kontrolle entzogene Geheimjustiz verhindert und die sachfremde Beeinflussung des Gerichts verhindert werden. Letztlich dient das Gebot der Öffentlichkeit durch seine Kontrollfunktion damit auch der Verfahrensfairness.
2. Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie ohne besondere Schwierigkeit davon Kenntnis erlangen kann, an welcher Stelle im Gericht oder außerhalb des Gerichts die Verhandlung stattfindet. Darum ist sicherzustellen, dass auch unbeteiligte Personen Ort und Zeit der Weiterverhandlung ohne besondere Schwierigkeiten erfahren können, wenn die Verhandlung oder Beweisaufnahme an einem anderen Ort als dem Sitzungssaal fortgesetzt wird.
3. Bei Verlegung des Verhandlungsorts ist es zur Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Regelfall erforderlich, Ort und Zeit des neuen Verhandlungsorts in öffentlicher Sitzung zu verkünden und durch einen Hinweis am Gerichtssaal bekannt zu machen. Das Erfordernis einer Nachfrage an der Gerichtspforte oder auf der Geschäftsstelle ist dagegen jedenfalls bei einer Verlegung einer Beweisaufnahme, die am Vormittag und damit zu einer gerichtsüblichen Zeit stattfindet, mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit nicht vereinbar.
4. Auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht verzichtet werden.