BAG: Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung - Aussetzung - Beurteilungsspielraum - Umfang der Begründungspflicht
Das BAG hat mit Beschluss vom 7.1. 2015 –10 AZB 109/14 – wie folgt entschieden:
1. Eine Pflicht zur Aussetzung eines Rechtsstreits nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung besteht auch in bereits anhängigen Verfahren, wenn deren Entscheidung von der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) nach § 5 TVG (oder einer Rechtsverordnung nach § 7 oder § 7a AEntG oder nach § 3a AÜG) abhängt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Streitgegenstand des anhängigen Rechtsstreits nicht mit dem Gegenstand des Verfahrens nach § 98 ArbGG identisch ist.
2. Hiervon unberührt bleibt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Inkrafttreten des § 98 ArbGG nichts an der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs für dort bereits anhängige Verfahren tarifungebundener Arbeitgeber ändert, in denen diese die Feststellung begehren, dass bestimmte Allgemeinverbindlicherklärungen rechtswidrig sind und die Kläger in deren Rechten verletzen.
3. Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist, dass das Gericht ernsthafte Zweifel, dh. solche von erheblichem Gewicht, an der Wirksamkeit einer AVE oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG hat. Allein der Umstand, dass durch eine Partei des anhängigen Rechtsstreits oder durch Dritte hinsichtlich einer entscheidungserheblichen AVE ein Verfahren nach § 98 ArbGG eingeleitet wurde, begründet solche Zweifel noch nicht.
4. Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „ernsthafte Zweifel“ bleibt dem Landesarbeitsgericht ein Beurteilungsspielraum. Dieser ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur darauf zu überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Begriff selbst verkannt hat, die Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen des Übersehens wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist.
5. Setzt ein Gericht einen Rechtsstreit nach § 98 Abs. 6 ArbGG aus, hat es im Aussetzungsbeschluss zu begründen, von welchen vorgetragenen oder gerichtsbekannten ernsthaften Zweifeln an der Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung iSv. § 2a Abs. 1 Nr. 5 ArbGG es ausgeht und welche Tatsachen es dieser Annahme zugrunde legt.