BAG: Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs - freiwilliges Einigungsstellenverfahren - teilmitbestimmte Angelegenheit - Unterwerfung unter einen Einigungsstellenspruch - Tarifsperre - Tarifüblichkeit - Reichweite der Sperrwirkung
Das BAG hat mit Beschluss vom 11.12.2018 – 1 ABR 17/17 – wie folgt entschieden:
1. Wird während eines laufenden Beschlussverfahrens anstelle des bisher für zwei Betriebsstätten eines Unternehmens errichteten Betriebsrats für diese jeweils ein eigener Betriebsrat gewählt, sind beide Funktionsnachfolger des früheren Betriebsrats (Rn. 13 f.).
2. Nimmt in einem solchen Fall einer der beiden während des Rechtsbeschwerdeverfahrens gewählten Betriebsräte seine Rechtsbeschwerde gegen die einen Antrag auf Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs abweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zurück, so ist er an dem von dem anderen Betriebsrat fortgeführten Anfechtungsverfahren nicht mehr nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligt. Durch die begehrte Entscheidung wird sein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis nicht mehr berührt (Rn. 14).
3. Richtet sich der Antrag einer Betriebspartei auf die Feststellung der Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, ist ein auf die Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Spruchs gerichteter Hilfsantrag prozessual unbeachtlich. Ein solches Begehren ist als Weniger im Sachantrag enthalten, so dass das Gericht - sollte der Spruch nur teilunwirksam sein - dies nach § 308 Abs. 1 ZPO als Weniger zuerkennen muss (Rn. 18).
4. Das in § 76 Abs. 6 BetrVG geregelte Einigungsstellenverfahren ermöglicht den Betriebsparteien, in den Gegenständen der freiwilligen Mitbestimmung (§ 88 BetrVG) ihre Einigung durch einen Spruch der Einigungsstelle zu ersetzen. Das freiwillige Einigungsstellenverfahren unterscheidet sich hinsichtlich der Regelungskompetenz der Einigungsstelle, der Art und Weise ihrer Errichtung, der Durchführung des Verfahrens - insbesondere der Voraussetzungen für eine etwaige einseitige Beschlussfassung - und der Wirkungsweise eines von der Einigungsstelle gefassten Spruchs von dem in § 76 Abs. 5 BetrVG für die Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung vorgesehenen Einigungsstellenverfahren (Rn. 24 ff.).
5. Ein im freiwilligen Einigungsstellenverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG ergangener Spruch der Einigungsstelle vermag das Rechtsverhältnis der Betriebsparteien in der zu regelnden Angelegenheit nur dann verbindlich auszugestalten, wenn diese sich nach § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG dem Spruch vorher unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben (Rn. 32).
6. Soll die Einigungsstelle nach dem ausdrücklich erklärten Willen der Betriebsparteien eine teilmitbestimmte Angelegenheit abschließend regeln und sich damit bei der Erfüllung ihres Regelungsauftrags gerade nicht im gesetzlich mitbestimmungspflichtigen Rahmen halten, bedarf der Spruch der Einigungsstelle für seine Verbindlichkeit ebenfalls nach § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG der wirksamen Unterwerfung oder der nachträglichen Annahme beider Betriebsparteien (Rn. 33).
7. Eine vom Betriebsratsvorsitzenden erklärte Unterwerfung unter einen Einigungsstellenspruch iSv. § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG bedarf zu ihrer Wirksamkeit einer vorherigen Beschlussfassung des Betriebsrats (Rn. 35).
8. Ein Tarifvertrag, dessen Geltungsbereich sich nur auf die tarifschließenden Unternehmen bezieht, begründet für andere Unternehmen keine Tarifüblichkeit iSv. § 77 Abs. 3 BetrVG (Rn. 42).