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Arbeitsrecht
16.07.2020
Arbeitsrecht
BAG: Verhaltensbedingte Kündigung - Verletzung der Pflicht zur Anzeige der Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit - Interessenabwägung - Revisibilität allgemeiner Erfahrungssätze

Das BAG hat mit Urteil vom 7.5.2020 – 2 AZR 619/19 – wie folgt entschieden:

1. Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (Rn. 15).

2. Eine schuldhafte Verletzung der sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ergebenden (Neben-)Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich geeignet, die Interessen des Vertragspartners zu beeinträchtigen und kann daher - je nach den Umständen des Einzelfalls - einen zur Kündigung berechtigenden Grund im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen (Rn. 16).

3. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Die Anzeigepflicht ist nicht auf den Fall einer Ersterkrankung beschränkt. Sie umfasst die Verpflichtung, auch die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit über die zunächst angezeigte Dauer hinaus unverzüglich mitzuteilen (Rn. 17).

4. Das Fehlen von betrieblichen Ablaufstörungen gehört ebenso wie ihr Vorhandensein zur Interessenabwägung bei einer auf die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gestützten Kündigung (Rn. 37).

5. Existenz und Inhalt eines vom Berufungsgericht herangezogenen allgemeinen Erfahrungssatzes sind vom Revisionsgericht voll überprüfbar. Allgemeine Erfahrungssätze dienen der Beurteilung von Tatsachen und haben somit die Funktion von Rechtssätzen (Rn. 33).

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