BAG: Verfall von Urlaub - Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers
Das BAG hat mit Urteil vom 19.2.2019 – 9 AZR 541/15 – wie folgt entschieden:
1. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Rn. 27).
2. Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber seinen aus einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG resultierenden Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs genügt, indem er den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (Rn. 26, 41).
3. Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Dies schließt die Befugnis ein zu bestimmen, dass der tarifliche Mehrurlaub am Ende des Jahres oder des Übertragungszeitraums verfällt, ohne dass der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat (Rn. 35).
4. Für den Willen der Tarifvertragsparteien, den Verfall des Urlaubs abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen (Rn. 36).
5. In § 26 TVöD hat ein vom Gesetzesrecht abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien keinen Niederschlag gefunden. Der nicht gewährte tarifliche Mehrurlaub teilt daher das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs. Das Fristenregime des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD wird nur ausgelöst, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten Rechnung getragen hat (Rn. 37).