BAG: Verfall von Urlaub - Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers - Kündigung
Das BAG hat mit Urteil vom 19.2.2019 – 9 AZR 321/16 – wie folgt entschieden:
1. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Rn. 38).
2. Die aus einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG resultierenden Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs bestehen nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung fort. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage (Rn. 55).
3. Stellt der Arbeitgeber den Bestand des Arbeitsverhältnisses durch Ausspruch einer Kündigung in Abrede, bedarf es zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten einer Erklärung, er sei bereit, dem Arbeitnehmer auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bezahlten Urlaub zu gewähren. Anderenfalls kann der Arbeitnehmer in der Regel nicht annehmen, der Arbeitgeber sei bereit, ihm trotz der Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung und die Zahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs oder eine sie bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (Rn. 56).
4. Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge der vertragliche Mehrurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des Übertragungszeitraums unabhängig davon verfallen soll, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (Rn. 52).