BAG: Verfahrensfehlerhafter Betriebsratsbeschluss – Anfrage
Der Erste Senat möchte die Auffassung vertreten, dass die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung nicht zur Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führt, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig i. S. d. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Siebten Senats (10.10.2007 – 7 ABR 51/06 –; 28.10.1992 – 7 ABR 14/92 –) ab. Der Erste Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält. ArbeitgeberundBetriebsrat streitenüberdieWirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat. Der neu gewählte Betriebsrat hält diese für unwirksam, weil sie das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beeinträchtigeund verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Zustimmung zu der Betriebsvereinbarung sei in einer Betriebsratssitzung beschlossenworden, zu der ohne Mitteilung einer Tagesordnung geladen worden sei. Dieser Ladungsmangel habe trotz einer einstimmigen Beschlussfassung nicht geheilt werden können, weil nicht alle Betriebsmitgliederanwesendgewesen seien. DasLandesarbeitsgericht hat auf Antrag des Betriebsrats festgestellt, dass diese Betriebsvereinbarung keine Rechtswirkung entfaltet. Über die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin kann noch nicht entschieden werden. Zwar ist die Betriebsvereinbarung materiell wirksam, weil die darin geregelten Torkontrollen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen. Ob die gegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verstoßende Ladung zur Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung zur Unwirksamkeit des in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses über die Zustimmung zur Betriebsvereinbarung führt, kann derzeit noch nicht entschieden werden. Nach bisheriger Rechtsauffassung des Ersten und Siebten Senats wäre dies der Fall, weil in der Betriebsratssitzung nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder anwesend waren. Da der Erste Senat dieses Erfordernis aufgeben möchte, fragt er nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Siebte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält. BAG, Urteil vom 9.7.2013 – 1 ABR 2/13
(PM BAG vom 9.7.2013)