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Arbeitsrecht
06.05.2016
Arbeitsrecht
BAG: Unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts bzw. der sexuellen Identität - Transsexualität - Bewerberauswahl - Entschädigung

Das BAG hat mit Urteil vom 17.12.2015 – 8 AZR 421/14 – wie folgt entschieden:

1. § 7 Abs. 1 AGG enthält ein einheitliches generelles Verbot der Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt nach § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. Ob der Grund tatsächlich in der Person des oder der Beschäftigten vorliegt, ist demnach nicht entscheidend. § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG berücksichtigt damit den Umstand, dass Menschen oft bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden, zB allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes.

2. Macht sich der Benachteiligende Vorstellungen über das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes, kann dies genügen, um den Entschädigungsanspruch auszulösen.

3. Eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, genügt ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG, sondern ebenso im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG, also bezogen auf die Frage, ob der Benachteiligende das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur angenommen hat.

4. Die Transsexualität gehört als solche nicht zu den in § 1 AGG genannten Gründen, an die das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG anknüpft. Sie kann jedoch sowohl im Rahmen des in § 1 AGG angeführten Grundes „Geschlecht“ als auch des Grundes „sexuelle Identität“ iSv. § 1 AGG von Bedeutung sein. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 1 AGG.

5. Als transsexuell werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, dem sie aufgrund ihrer äußerlichen körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt zugeordnet wurden, nicht (mehr) zugehörig fühlen, sondern sich mit dem „Gegengeschlecht“ identifizieren. Deshalb genügt eine Person, die sich durch eine Benachteiligung wegen der Transsexualität für beschwert hält, ihrer Darlegungslast gemäß § 22 AGG bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als eine solche Person wahrgenommen und deshalb benachteiligt wurde. In einem solchen Fall ist die Vermutung begründet, dass der Benachteiligende die Transsexualität angenommen hat iSv. § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG und diese Annahme mitursächlich für seine Entscheidung war.

AGG §§ 1, 3 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 6 Abs. 2 Satz 2, § 7 Abs. 1 Halbs. 1 und Halbs. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2, § 15 Abs. 4, § 22; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 286 Abs. 1; Richtlinie 2006/54/EG; Richtlinie 2000/78/EG Erwägungsgrund 11; ArbGG § 61b Abs. 1, § 67

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