R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
04.07.2016
Arbeitsrecht
BAG: Teil-Unwirksamkeit eines Tarifvertrages wegen Altersdiskriminierung

Das BAG hat mit Urteil vom 9.12.2015 – 4 AZR 684/12 – wie folgt entschieden:

1. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie zwar ein weiter Gestaltungsspielraum und in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und den betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative bei der Gestaltung von Tarifverträgen zu. Sie sind aber grundsätzlich an zwingendes Gesetzesrecht gebunden, wozu auch die einfachrechtlichen Diskriminierungsverbote gehören.

2. Bei der Überprüfung, ob eine tarifliche Regelung eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG enthält oder sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind, ist der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Sie können tarifvertragliche Ansprüche differenzierend festlegen und zB Stichtagsregelungen jedenfalls dann wählen, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert, vertretbar erscheint und nicht gegen gesetzliche Regelungen verstößt. Über das Ausmaß der Rechtfertigungsbedürftigkeit und der Kontrolldichte entscheidet die konkrete Fallkonstellation.

3. Die tarifliche Stichtagsregelung in der Protokollnotiz II.3. idF des ÄndErgTV Nr. 4 enthält eine sachlich nicht gerechtfertigte mittelbar altersdiskriminierende Regelung iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Es fehlt bereits an einem erkennbaren legitimen Ziel der differenzierenden Regelung.

4. Besteht eine nicht gerechtfertigte mittelbare Benachteiligung in einer Ausgrenzung der diskriminierten Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich einer vergleichbare Arbeitnehmer begünstigenden Regelung und sind bisher keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen worden, so dass diese Regelung das einzig gültige Bezugssystem bleibt, ist zur Beseitigung der Benachteiligung auf die Angehörigen der benachteiligten Gruppe regelmäßig die gleiche Regelung wie auf die begünstigten Arbeitnehmer anzuwenden.

stats