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Arbeitsrecht
10.03.2020
Arbeitsrecht
BAG: Tariflicher Nachteilsausgleich - geltungserhaltende Auslegung

Das BAG hat mit Urteil vom 21.1.2020 – 1 AZR 149/19 – wie folgt entschieden:

1. Der Begriff „Flugbetrieb“ iSv. § 117 BetrVG bezeichnet keine dem Betriebsbegriff iSd. BetrVG entsprechende betriebliche Organisationseinheit, sondern eine Gruppe von Arbeitnehmern (das „fliegende Personal“), die aufgrund ihrer Tätigkeit bis zum 30. April 2019 uneingeschränkt aus dem Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommen war und auf die seit dem 1. Mai 2019 das BetrVG anzuwenden ist, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag errichtet ist (Rn. 38 ff.).

2. Eine geltungserhaltend einschränkende Auslegung einer tariflichen Regelung ist geboten, wenn dieser nur bei einem eingeschränkten Verständnis die für ihre Geltung allein mögliche - und von den Tarifvertragsparteien auch beabsichtigte - normative Wirkung zukommen kann (Rn. 50).

3. Die Tarifvertragsparteien können betriebsverfassungsrechtliche Fragen in einem Tarifvertrag nur durch Bestimmungen regeln, denen nach § 1 Abs. 1 TVG Rechtsnormcharakter zukommt (Rn. 52).

4. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 TVG beschränkt sich auch die normative Wirkungsweise von Tarifregelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen auf den Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags (Rn. 52).

5. Erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich eines Tarifvertrags, durch den nach § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Vertretung errichtet ist, nur auf eine bestimmte Gruppe von im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern, kann der Vertretung wegen der geltungsbereichsbezogenen Wirkung tariflicher Rechtsnormen nicht das Recht eingeräumt werden, eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abzuschließen, die einen Sachverhalt gestaltet, der auch nicht vom Geltungsbereich erfasste Arbeitnehmer betrifft (Rn. 54).

6. Eine in einem nur für das Kabinenpersonal geltenden Tarifvertrag iSv. § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehene Regelung, nach der sich der Inhalt eines mit der Vertretung für das Kabinenpersonal abzuschließenden Interessenausgleichs auf das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Stilllegung des - als organisatorische Einheit verstandenen - gesamten „Flugbetriebs“ bezieht, überschritte diese Grenzen, da der von den Betriebsparteien auszugestaltende Sachverhalt sich nicht auf das Kabinenpersonal beschränkte, sondern gleichermaßen das von der Stilllegung dieser organisatorischen Einheit betroffene Cockpitpersonal erfasste (Rn. 55).

7. Die Feststellung materieller Rechtsbeziehungen, die einer Prozessentscheidung zugrunde liegen, erwächst nicht in Rechtskraft (Rn. 65).

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