BAG: Stufenzuordnung und Arbeitnehmerfreizügigkeit
Das BAG hat mit Urteil vom 23.2.2017 – 6 AZR 843/15 – wie folgt entschieden:
1. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L verstößt nicht gegen Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Freizügigkeitsverordnung (EU) Nr. 492/2011, wenn Arbeitnehmer nur in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt waren und keine Qualifikationen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworben haben. Der Anwendungsbereich der Freizügigkeitsvorschriften ist nicht eröffnet. Das ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt.
2. Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Freizügigkeitsverordnung (EU) Nr. 492/2011 sind nicht auf Tätigkeiten anzuwenden, die keinerlei Berührungspunkte mit einem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Unionsrecht abstellt und die mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.
3. Ein Unionsbürger kann sich gegenüber nationalen Normen daher nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, wenn er niemals in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt, gearbeitet, studiert, ein Hochschuldiplom oder einen Berufsabschluss erworben oder anderweitig von seinem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Die Unionsbürgerschaft bezweckt nicht, den sachlichen Anwendungsbereich der Verträge auf interne Sachverhalte auszudehnen, die keinerlei Bezug zum Unionsrecht aufweisen.
4. Die Rechtsprechungslinie des Gerichtshofs der Europäischen Union zu dem für die Freizügigkeitsbestimmungen nötigen Auslandsbezug ist durch dessen Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (– C-514/12 – [Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH]) nicht aufgegeben worden. Die in dieser Sache behandelte kollektive Streitigkeit zwischen dem Zentralbetriebsrat und der österreichischen Krankenhausgesellschaft wies ohne Weiteres einen grenzüberschreitenden Bezug auf.
5. Der Senat lässt wegen des hier fehlenden Auslandsbezugs offen, ob es durch § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern und Grenzgängern kommt, ob eine solche mittelbare Benachteiligung ggf. gerechtfertigt ist und ob diese Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Sinn eines sog. acte éclairé geklärt sind.
Volltext unter BBL2017-1205-3