BAG: Schadensersatz - Erstattung von betrieblichen Mehrkosten - Freigabe überhöhter Vorgabezeiten - Kontrolldefizit - Organisationsmängel
Das BAG hat mit den Urteilen vom 21.5.2015 – 8 AZR 116/14 und 8 AZR 867/13 – wie folgt entschieden:
1. Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, beim Arbeitgeber. Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers.
2. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes nach § 254 Abs. 1 BGB sind weiter davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend vom Schädiger oder vom Geschädigten verursacht worden ist. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB muss von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz geprüft werden.
3. Im Hinblick auf ein eventuelles Mitverschulden, ggf. durch ein Organisationsdefizit beim Arbeitgeber, kann es auf die Mitarbeiterführungs- und Kontrollaufgaben des Vorgesetzten des Schädigers ankommen.
4. Sind selbst nach Vorkommnissen in der Vergangenheit keine der Sorgfaltspflicht entsprechenden Kontrollmaßnahmen ergriffen worden und hat der Arbeitgeber dafür einzustehen bzw. ist ihm pflichtwidriges Unterlassen von Hilfspersonen gemäß § 254 Abs. 2, § 278 BGB analog zuzurechnen, ist dies je nach den Umständen im Hinblick auf Dauer und Umfang des Fehlverhaltens zu seinen Lasten zu berücksichtigen.
5. Die Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände, mithin auch für die Ursächlichkeit eines Mitverschuldens, trägt der Schädiger. Allerdings darf vom Schädiger nichts Unmögliches erwartet werden. Insbesondere kann er verlangen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Umstände aus seiner Sphäre handelt, beispielsweise die Darlegung, was zur Schadensminderung unternommen worden ist.
6. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens ist nicht mit den gleichfalls zu berücksichtigenden Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bzw. privilegierten Arbeitnehmerhaftung „durch entsprechende Anwendung“ des § 254 BGB zu vermengen.