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Arbeitsrecht
16.05.2013
Arbeitsrecht
BAG: Restitutionsklage - festgestellter Konventionsverstoß

Das BAG hat mit Urteil vom 22.11.2012 - 2 AZR 570/11 - entschieden: Gemäß § 580 Nr. 8 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle (EMRK) festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht. Nach § 35 EGZPO ist § 580 Nr. 8 ZPO auf Verfahren, die vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind, nicht anzuwenden. Die Überleitungsvorschrift des § 35 EGZPO knüpft an den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor den nationalen Gerichten und nicht an den Zeitpunkt an, in dem ein endgültiges, den Konventionsverstoß feststellendes Urteil des Gerichtshofs vorliegt. Eine andere Auslegung ist methodengerecht nicht möglich. Mit diesem Inhalt ist die Stichtagsregelung verfassungs- und unionsrechtskonform, insbesondere ist sie mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Garantien der EMRK und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe dienen. Weder die EMRK, noch deutsches Verfassungsrecht verlangen zwingend danach, einem die Verletzung der Konvention feststellenden Urteil des Gerichtshofs die Wirkung beizumessen, die Rechtskraft von Zivilurteilen im Ausgangsverfahren zu beseitigen. Hat der deutsche Gesetzgeber eine Wiederaufnahmemöglichkeit nur für solche Rechtsstreitigkeiten eröffnet, die bei der Einführung des Restitutionsgrundes noch nicht rechtskräftig abgeschlossen waren, hält sich dies im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums. Er durfte für „Altfälle“ das Vertrauen der im Ausgangsverfahren erfolgreichen Partei in den Bestand des rechtskräftigen Zivilurteils stärker gewichten als das Interesse der unterlegenen Partei, das Verfahren wegen eines festgestellten Konventionsverstoßes wieder aufzunehmen. Das gilt umso mehr, als der Grundsatz der Rechtssicherheit auch Bestandteil des Konventionsrechts ist und eine Begrenzung der Verpflichtungen der Konventionsstaaten aus einem Urteil des Gerichtshofs rechtfertigt. Aus der Stichtagsregelung des § 35 EGZPO und der Nichtanwendung von § 580 Nr. 8 ZPO auf vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren folgt nicht, dass die festgestellte Konventionsverletzung für die Rechtsbeziehung der an dem betreffenden Ausgangsrechtsstreit beteiligten Parteien in jeder Hinsicht folgenlos bleiben müsste. Ein vom Gerichtshof festgestelltes Abwägungsdefizit in einem Kündigungsschutzprozess kann - je nach den Umständen - im Rahmen eines Wiedereinstellungsbegehrens des Arbeitnehmers Bedeutung gewinnen.

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