BAG: Ordentliche Kündigung – mangelnde Verfassungstreue
1. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unterliegt nicht in jedem Fall der einem Beamten vergleichbaren – gesteigerten – Treuepflicht. Je nach Stellung und Aufgabenkreis kann von ihm nicht die Bereitschaft verlangt werden, sich mit der freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes zu identifizieren und dafür aktiv einzutreten. Ein Arbeitnehmer kann – abhängig von seiner Funktion – die ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L obliegende Pflicht zur Verfassungstreue schon dadurch „wahren“, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aktiv bekämpft (sog. einfache politische Treuepflicht).
2. Auch wenn ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes nur dieser „einfachen“ politischen Loyalitätspflicht unterliegt, darf er nicht darauf ausgehen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Bei Zuwiderhandlungen kann eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein, wenn die außerdienstlichen Aktivitäten zu konkreten Störungen im Arbeitsverhältnis führen. Unabhängig davon kann das Verhalten einen Eignungsmangel indizieren und den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KSchG zur Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers berechtigen.
3. Verbreitet ein Arbeitnehmer über das Internet einen Demonstrationsaufruf, dessen Verfasser bei sachgerechter Deutung der in dem Aufruf enthaltenen Äußerungen für einen gewaltsamen Umsturz eintreten, berechtigt dies zu der Annahme, der Arbeitnehmer bringe das für seine Beschäftigung im Dienst der Finanzverwaltung eines Bundeslandes erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue nicht auf.
BAG, Urteil vom 6.9.2012 – 2 AZR 372/11
(Orientierungssätze des Gerichts)