BAG: Ordentliche Kündigung durch alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - Zurückweisungsrecht analog § 174 BGB – Unverzüglichkeit der Zurückweisung
Das BAG hat mit Urteil vom 5.12.2019 – 2 AZR 147/19 – wie folgt entschieden:
1. Soweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht entsprechend der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB durch sämtliche Gesellschafter handelt, liegt bei ihrer Teilnahme am Rechtsverkehr eine Situation vor, die der des § 174 BGB entspricht (Rn. 39 ff.).
2. Für die Frage, ob eine Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB unverzüglich erfolgt, gelten die zu § 121 BGB aufgestellten Grundsätze. Die Zurückweisung muss daher nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rats eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Entscheidung, die Zurückweisung aus Beweisgründen schriftlich vorzunehmen und das Zurückweisungsschreiben durch einen Zeugen „des Vertrauens“ und nicht zB durch einen Botendienst überbringen zu lassen, begründet jedenfalls dann kein schuldhaftes Zögern, wenn es dadurch nicht zu einer erheblich längeren Übermittlungsdauer kommt (Rn. 48 f.).
3. Ein In-Kenntnis-Setzen iSv. § 174 Satz 2 BGB von einer Kündigungsbefugnis liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Mitarbeiter in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist. Allerdings handelt es sich bei einer solchen Berufung zunächst um einen rein internen Vorgang, zu dem ein äußerer Vorgang hinzutreten muss, mit dem der Vollmachtgeber den inneren Vorgang (auch) gegenüber dem Erklärungsempfänger öffentlich macht (Rn. 52).
4. Dementsprechend genügt es für ein In-Kenntnis-Setzen analog § 174 Satz 2 BGB nicht, dass die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einem von ihnen im Gesellschaftsvertrag die alleinige Geschäftsführungsbefugnis (§ 710 Satz 1 BGB) und damit auch die alleinige Vertretungsmacht (§ 714 BGB) übertragen. Vielmehr muss dieser zunächst rein interne „Bestellungsakt“ (auch) gegenüber dem Erklärungsempfänger durch die „Vollmachtgeberin“, also durch alle Gesellschafter und nicht etwa nur durch den „Alleinbevollmächtigten“ selbst, öffentlich gemacht werden (Rn. 53).
5. Die Zurückweisung nach § 174 BGB ist gemäß § 242 BGB unzulässig, wenn der Kündigungsempfänger den Vertreter in der bestehenden Geschäftsverbindung auch ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde wiederholt als solchen anerkannt hat, solange kein begründeter Zweifel am Bestehen der Vollmacht aufgetreten und deshalb ein Vertrauenstatbestand für den Kündigenden entstanden ist. Das setzt voraus, dass der Kündigungsempfänger aufgrund objektiver Umstände zu erkennen gegeben hat, er gehe mit hinreichender Sicherheit von einer alleinigen Kündigungsbefugnis des Handelnden aus (Rn. 59 f.).
6. Ein Arbeitnehmer und mehrere Arbeitgeber können vereinbaren, dass die jeweils zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisse zwar in ihrer Durchführung miteinander verzahnt, in ihrem Bestand jedoch nicht untrennbar miteinander verbunden sein sollen. In diesem Fall kann und muss der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage (nur) gegen den jeweils kündigenden Arbeitgeber richten. Im Streit steht dann allein die Auflösung des einen, zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses (Rn. 13, 17 ff.).
7. Verpflichten sich mehrere durch Vertrag gemeinschaftlich zu einer teilbaren Leistung (zB Beschäftigung und Vergütung eines Arbeitnehmers), so haften sie nach § 427 BGB im Zweifel als Gesamtschuldner. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Auslegungsregel, die der Vermutung für eine Teilschuld in § 420 BGB kraft Spezialität vorgeht, und die nur dann nicht eingreift, wenn die Auslegung des „Vertragswerks“ gemäß §§ 133, 157 BGB ausdrücklich oder doch eindeutig eine Teilschuld ergibt (Rn. 67).
8. Eine gemeinschaftliche Verpflichtung zu einer teilbaren Leistung im Sinn der gesetzlichen Auslegungsregel in § 427 BGB kann auch bei getrennten Verträgen vorliegen, sofern jeder Schuldner subjektiv mit der Verpflichtung (auch) der anderen rechnet (Rn. 27).