BAG: Masseunzulänglichkeit - Neumasseverbindlichkeit - vorzeitige Kündigung – Auswirkungen der Unwirksamkeit von Kündigungen auf den insolvenzrechtlichen Rang von Annahmeverzugsansprüchen - Verhältnis von § 209 Abs. 2 Nr. 2 zu § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO
Das BAG hat mit Urteil vom 22.2.2018 – 6 AZR 868/16 – wie folgt entschieden:
1. Stellt der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung frei, sind die Annahmeverzugsansprüche, die bis zum ersten Termin entstehen, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte, Altmasseverbindlichkeiten. Kündigt der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht zu dem erstmöglichen Termin oder erweist sich die Kündigung als unwirksam, werden dadurch die für die Zeit nach dem erstmöglichen Kündigungstermin entstehenden Annahmeverzugsansprüche Neumasseverbindlichkeiten.
2. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO legt den Termin fest, bis zu dem der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis spätestens beendet haben muss, um Neumasseverbindlichkeiten zu vermeiden. Ist das Arbeitsverhältnis bereits vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit zum selben oder einem früheren Beendigungszeitpunkt gekündigt worden, zu dem es nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit frühestmöglich hätte beendet werden können (vorzeitige Kündigung), so ist der Anwendungsbereich des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht eröffnet, wenn die Kündigung sich als wirksam erweist. Das Arbeitsverhältnis ist in diesem Fall bereits beendet, bevor Neumasseverbindlichkeiten entstehen können.
3. Ist die vorzeitige Kündigung dagegen unwirksam, sind die Annahmeverzugsansprüche, die nach dem erstmöglichen Kündigungstermin entstehen, Neumasseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 2 InsO. Gleiches gilt, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige rechtzeitig kündigt und sich diese Kündigung als unwirksam erweist.
4. Der Insolvenzverwalter kann das Risiko, durch eine unwirksame Kündigung Neumasseverbindlichkeiten zu begründen, nicht dadurch ausschalten, dass er den Arbeitnehmer freistellt. Anderenfalls wäre § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO überflüssig.