BAG: Kommunikationsbeauftragte des Betriebsrats - zusätzliche Arbeitnehmervertretung -
Das BAG hat mit Beschluss vom 29.4.2015 – 7 ABR 102/12 – wie folgt entschieden:
1. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ermöglicht Regelungen zur Bildung zusätzlicher betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern erleichtern. Diese Vertretungen der Arbeitnehmer setzen eine Organstruktur voraus. Arbeitnehmer, die lediglich Hilfsfunktionen für den Betriebsrat wahrnehmen und nicht in einer Organstruktur zusammengefasst sind, sind keine zusätzliche Arbeitnehmervertretung iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.
2. Um derartige Hilfspersonen kann es sich bei sog. Kommunikationsbeauftragten handeln, die vom Betriebsrat wegen der Größe der von ihm repräsentierten Belegschaft (hier: ca. 22.000 Arbeitnehmer) zu seiner Unterstützung im Rahmen des Informations- und Meinungsaustauschs mit der Belegschaft bestellt werden.
3. Der Bestellung derartiger Kommunikationsbeauftragter steht nicht entgegen, dass der Informations- und Meinungsaustausch mit der Belegschaft Teil der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben des Betriebsrats ist. Dies hindert die Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben nicht von vornherein. Allerdings darf diesen Hilfspersonen nicht die Kommunikationsaufgabe des Betriebsrats insgesamt zur selbständigen Wahrnehmung übertragen werden. Ihre Tätigkeit muss auf die Hilfstätigkeit der Informationsvermittlung zwischen Betriebsrat und Belegschaft beschränkt sein. Das ist der Fall, wenn die Kommunikationsbeauftragten ausschließlich dazu eingesetzt werden, Anliegen der Arbeitnehmer und Stimmungen in der Arbeitnehmerschaft an den Betriebsrat heranzutragen und Informationen des Betriebsrats an die Arbeitnehmer weiterzuleiten. Der Einsatz von Kommunikationsbeauftragten darf eine direkte Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht verhindern.
4. Die Kommunikationsbeauftragten sind Hilfspersonen des gesamten Betriebsrats. Sie dürfen nur für Zwecke des Betriebsratsgremiums herangezogen werden. Die Mehrheitsfraktion innerhalb des Betriebsrats darf die Hilfspersonen nicht für ihre eigenen spezifischen Ziele einsetzen.
5. Die Minderheitsfraktion und deren Mitglieder können sich nicht darauf berufen, die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten sei nicht erforderlich iSv. § 40 Abs. 2 BetrVG und führe zu einer „Überversorgung“ des Betriebsrats. § 40 Abs. 2 BetrVG begrenzt die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers und regelt im Verhältnis des Betriebsrats zum Arbeitgeber, dass der Betriebsrat lediglich die Überlassung der erforderlichen Hilfsmittel verlangen kann. Daher kann sich grundsätzlich nur der Arbeitgeber auf die fehlende Erforderlichkeit eines verlangten Hilfsmittels berufen.
Bei Streitigkeiten innerhalb des Betriebsratsgremiums findet § 40 Abs. 2 BetrVG dagegen keine Anwendung.
6. Der Betriebsrat trifft seine Entscheidungen nach § 33 Abs. 1 BetrVG mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, soweit im Betriebsverfassungsgesetz nichts anderes bestimmt ist. Das gilt auch für eine Entscheidung über die Auswahl seiner Hilfspersonen. Die Vorschriften, die eine Verhältniswahl für die Wahl der Ausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vorsehen (§ 27 Abs. 1 Satz 3, §§ 28, 38 Abs. 2 BetrVG), sind bei der Bestellung von Hilfspersonen
nicht (analog) anzuwenden. Allerdings hat der Betriebsrat bei der Bestellung der Hilfspersonen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Es ist deshalb nicht zulässig, die Bestellung von Kommunikationsbeauftragten von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gewerkschaft abhängig zu machen.