LAG Hessen: Keine Kündigung wegen eines übersehenen Fehlers eines eingeschlafenen Arbeitskollegen
Das Hessische LAG hat der Kündigungsschutzklage einer Bankangestellten stattgegeben, bei der die Bank der Klägerin die vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vorgeworfen hatte, weil sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe. Die 48- jährige Klägerin des Rechtsstreits arbeitet seit 1986 bei der beklagten Bank, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Am 2.4.2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belege innerhalb von 1,5–3 Sekunden und nur 104 Belege in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie in den Zahlungsbeleg eines Rentners, der durch einen Arbeitskollegen von 62,40 e auf 222 222 222,22 e korrigiert worden war. Wie sich im Nachhinein herausstellte, war der vorprüfende Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste „2“ der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt. Die Bank hat der Klägerin die vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vorgeworfen, indem sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe. Sie hat der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt. Das ArbG Frankfurt a. M. und ihm folgend das Hessische LAG haben der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Klägerin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen, die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der beklagten Bank hier eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen. Auch die von der Bank begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht hat das Hessische LAG zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.
LAG, Urteil vom 7.2.2013 – 9 Sa 1315/12.
(PM LAG Hessen vom 10.6.2013)