ArbG Berlin: Kein 3-Minuten-Takt für Taxifahrer
Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 10.8.2017 – 41 Ca 12115/16 – wie folgt entschieden:
1. Auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind mindestlohnpflichtig (BAG vom 29.6.2016 – 5 AZR 716/15).
2. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit ist, einen Fahrauftrag auszuführen, sind Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst.
3. Ein Arbeitnehmer hat seine Arbeitszeit darzulegen und zu beweisen (BAG vom 18.4.2012 – 5 AZR 248/11 - Rn. 14). Es gilt eine gestufte Darlegungs- und Beweislast. Dabei sind die jeweiligen Besonderheiten der betrieblichen Abläufe zu berücksichtigen (BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16 - Rn. 23).
4. Für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst gilt Entsprechendes.
5. Ein Taxifahrer genügt seiner primären Darlegungslast, wenn er die vom Arbeitszeiterfassungsmodul des Taxameters seines Arbeitgebers erfassten Zeiten, in denen er als verfügbar angemeldet war, vorträgt und behauptet, in dieser Zeit arbeitsbereit gewesen zu sein.
6. Der Arbeitgeber hat dann die sekundäre Darlegungslast darzulegen, dass der Fahrer zwar angemeldet, aber nicht arbeitsbereit war.
7. Für den Nachweis fehlender Arbeitsbereitschaft des Fahrers kann der Arbeitgeber dem Fahrer die Benutzung von Kontrolleinrichtungen vorschreiben.
8. Die täglichen konkreten Arbeits- und Pausenzeiten des Arbeitnehmers sind personenbezogene Daten i. S. d. § 3 Abs. 1 BDSG und dürfen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies u. a. für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses „erforderlich“ ist. Erforderlichkeit i. S. d. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG heißt Verhältnismäßigkeit. Verhältnismäßigkeit setzt Geeignetheit, Erforderlichkeit i. e. S. und Zumutbarkeit voraus (BAG vom 17.11.2016 – 2 AZR 730/15 - Rn. 30). Die gleichen Anforderungen ergeben sich unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG) des Fahrers (BAG, ebd.).
9. Verlangt der Arbeitgeber vom Taxifahrer, während des Wartens auf Kunden alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren, so ist dies – wenn überhaupt erforderlich – nicht zumutbar. Das Interesse des Arbeitgebers den Arbeitnehmer zu kontrollieren verlangt im Taxigewerbe keine so intensive Überwachung bloßer Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers.
10. Verwendet der Arbeitgeber ein unwirksames Kontrollsystem und beschränkt er seinen Vortrag auf die Darlegung der automatisch summierten „Pausenzeiten“, so obliegt es ihm im Rahmen seiner gestuften Darlegungslast, den klägerischen Vortrag anderweitig substantiiert zu bestreiten. Ist ihm das nicht möglich, liegt das in seiner Organisationssphäre. Die Wahl eines wirksamen Kontrollsystems ist Sache des Arbeitgebers.
(Amtliche Leitsätze)