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Arbeitsrecht
17.02.2016
Arbeitsrecht
BAG: Insolvenzanfechtung - unentgeltliche Leistung - Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung - Entgeltzahlungen ohne Gegenleistung des Arbeitnehmers

Das BAG hat mit Urteil vom 17.12.2015 – - 6 AZR 186/14 – wie folgt entschieden:

1. In einem zweiseitigen Rechtsverhältnis ist eine Leistung iSv. § 134 InsO unentgeltlich, wenn dem Leistenden vereinbarungsgemäß keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert oder der eingegangenen Verpflichtung entsprechende Gegenleistung zufließt.

2. Unentgeltlichkeit iSv. § 134 InsO setzt nicht voraus, dass die angefochtene Leistung rechtsgrundlos erfolgt ist.

3. Entgeltzahlungen, die im Rahmen eines wirksam geschlossenen Arbeitsvertrags als Gegenleistung für die geleistete Arbeit in der vertraglich geschuldeten Höhe erfolgen, sind grundsätzlich entgeltlich. Bei der Einschätzung des Werts von Leistung und Gegenleistung kommt den Arbeitsvertragsparteien ein angemessener Beurteilungsspielraum zu, wobei ihre subjektive Bewertung eine reale Grundlage haben muss.

4. Das gilt auch, soweit gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen in Durchbrechung des Grundsatzes „kein Entgelt ohne Arbeit“ eine Entgeltzahlungspflicht ohne Arbeitsleistung vorsehen. Mit derartigen Zahlungen erfüllt der Arbeitgeber lediglich seine Hauptleistungspflicht und bringt diese zum Erlöschen. Dies begründet die Entgeltlichkeit der Zahlung.

5. Wird eine Verbindlichkeit unentgeltlich begründet, sind alle zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit erfolgten Zahlungen unentgeltlich iSv. § 134 InsO. Darum können Entgeltzahlungen, die in Erfüllung einer wirksam geschlossenen Freistellungsvereinbarung erfolgen, unentgeltlich sein. Erfolgt die Freistellung im Wege eines Vergleichs, ist allerdings in der Regel davon auszugehen, dass dies seinen Grund in der ungewissen Sach- und Rechtslage hat. Das führt zur Entgeltlichkeit der in Erfüllung des Vergleichs für die Zeit der Freistellung geleisteten Zahlungen.

6. Erfüllt der Arbeitgeber Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB, die dadurch entstanden sind, dass er den Arbeitnehmer wegen Arbeitsmangels oder während eines später verlorenen Kündigungsschutzprozesses nicht beschäftigt hat, liegt eine entgeltliche Leistung vor, die nicht der Anfechtung nach § 134 InsO unterliegt.

7. Der Arbeitnehmer hat einen von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Beschäftigungsanspruch. Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Darum ist eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis ohne vertragliche Vereinbarung nur zulässig, wenn der Beschäftigung überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, nimmt der Arbeitnehmer die Freistellung aber gleichwohl hin, sind die während der Freistellung erfolgten Entgeltzahlungen unentgeltlich und unterliegen der erleichterten Anfechtung nach § 134 InsO.

8. § 134 InsO ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und eine gesetzliche Grundlage iSv. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

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