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Arbeitsrecht
16.05.2014
Arbeitsrecht
BAG: Insolvenzanfechtung - Rückforderung unter dem Druck von Zwangsvollstreckungs-maßnahmen erlangter Entgeltzahlung - Verfassungskonformität der insolvenzanfechtungsrechtlichen Vorschriften

Das BAG hat mit Urteil vom 27.2.2014 - 6 AZR 367/13 - entschieden: Leistet der Schuldner während der „kritischen Zeit“ der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellen des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckung, begründet der bevorstehende hoheitliche Zwang eine inkongruente Deckung iSd. § 131 Abs. 1 InsO. Leistet der Schuldner im Hinblick auf eine nach § 845 ZPO ausgebrachte Vorpfän-dung, erfolgt dies unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstre-ckung. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Dabei ist zu beachten, dass das Insolvenzverfahren auf den Schutz und die Durchsetzung von verfassungsrechtlich geschützten privaten Interessen zielt und damit seinerseits Teil der Gewährleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG ist. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO verletzt auch unter Berücksichtigung des durch Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzips den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Der Gesetzgeber hat seinem Auftrag, soziale Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens zu schaffen, für Fälle, in denen der Arbeitnehmer in der kritischen Zeit des § 131 InsO erhebliche Entgeltrückstände im Wege der Zwangs-vollstreckung beitreibt, genügt. Der Gesetzgeber durfte bei der Regelung des § 131 InsO zudem die Ordnungsfunktion des Insolvenzanfechtungsrechts berücksichtigen. Eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO, das Existenzminimum von der Insolvenzanfechtung freizustellen, wie sie der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2014 - 6 AZR 345/12 - erwogen hat, scheidet bei einer Erfüllung erheblicher Entgeltrückstände unter dem Druck der Zwangsvollstreckung aus. In diesen Fällen ist es den Arbeitnehmern möglich, die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Der insolvenzrechtliche Rückforderungsanspruch des § 143 Abs. 1 InsO unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht. Bei erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist grundsätzlich nur der erhaltene Nettolohn zurückzuzahlen. Der Rückforderungsanspruch ist gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem auf die Insolvenzeröffnung folgenden Tag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

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