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Arbeitsrecht
20.08.2010
Arbeitsrecht
BAG: Grundsatz der Tarifeinheit – Rechtsprechungsänderung

Im Anschluss an seinen Anfragebeschluss vom 27.1.2010, BB 2010, 1988 mit Komm. Lipinski/Hund, hat der vierte Senat des BAG mit Urteil vom 7.7.2010 – 4 AZR 549/08 – zur Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit u. a.wie folgt entschieden: Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar. Diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung wird nicht dadurch verdrängt, dass für den Betrieb kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse derselben Art im Falle der Tarifbindung eines oder mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur einTarifvertrag – so genannte Tarifpluralität (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Der Grundsatz der Tarifeinheit, der nach der bisherigen Rechtsprechung in Fällen der Tarifpluralität dazu führte, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Geltung beanspruchen konnte, kann weder auf eine gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtsgrundlage noch auf übergeordnete Prinzipien der Rechtssicherheit oder der Rechtsklarheit gestützt werden. Die Verdrängung bestehender Tarifverträge im Falle einer Tarifpluralität, an die die Arbeitsvertragsparteien nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar gebunden sind, kann mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch einen Grundsatz der Tarifeinheit begründet werden. Weder dem Tarifvertragsgesetz noch dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG kann eine rechtlichverbindliche Vorgabe der betriebseinheitlichen Geltung von Tarifnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, entnommen werden.

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