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Arbeitsrecht
10.07.2009
Arbeitsrecht
: Gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen von einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft auf eine neue rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts

Leitet ein Landesgesetz die bisher mit einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft bestehenden Arbeitsverhältnisse auf eine neue rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts über, so findet auf diesen durch Gesetz angeordneten Übergang § 613a BGB keine Anwendung. Sieht das Landesgesetz ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen den gesetzlichen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nicht vor, so kann dieses auch nicht aus einer anlogen Anwendung von § 613a BGB abgeleitet werden. Grundsätzlich verstößt ein derartiges Landesgesetz nicht gegen höherrangiges einfaches Bundesgesetz (Art. 31 GG). Die zwingende Überleitung von Arbeitsverhältnissen durch Landesgesetz stellt einen Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl des Arbeitnehmers dar (Art. 12 Abs. 1 GG). Dieser kann aber durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein, wenn er verhältnismäßig ist. Die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung sowie sein Beurteilungsspielraum bei der Prognose und Einschätzung drohender Gefahren, zu deren Verhütung er tätig wird, bedeutet einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Diesen wahrt er nur dann nicht, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlerhaft sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können. Die Fusion zweier Universitätskliniken und die beabsichtigte spätere Überführung der Trägerschaft auf einen privaten Krankenhausbetreiber schützt dann wichtige Gemeinschaftsgüter, wenn anders der Erhalt beider Kliniken und der Forschung und Lehre im Bereich der Hochschulmedizin beider Universitäten nicht gewährleistet werden kann. Das gesetzgeberische Ziel, im Interesse des Gemeinwohls die Funktionsfähigkeit beider Kliniken zu erhalten, kann es erforderlich erscheinen lassen, die fortdauernde Tätigkeit des in beiden Kliniken vorhandenen Personals sicherzustellen. Die deswegen zwingend angeordnete Überleitung ist verhältnismäßig im engeren Sinn, wenn die Regelung angemessen ist und die betroffenen Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der damit verbundenen Auswirkungen nicht übermäßig belastet und ihnen insgesamt zumutbar ist. Nach europäischem Recht muss der Arbeitnehmer bei der Wahl seines Arbeitgebers frei sein und darf nicht verpflichtet werden, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat. Dies bedeutet nicht, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei einer Überleitung des Arbeitsverhältnisses durch Einräumung eines Widerspruchsrechts für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit dem Veräußerer zu sorgen. Dem europäischen Recht genügt es, wenn in diesem Fall ein besonderes Kündigungsrecht nach der nationalen Rechtsordnung besteht.

BAG-Entscheidung vom 18.12.2008 - 8 AZR 660/07

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