BAG: Funktionsstufe nach dem TV-BA - Rechtsmissbräuchlichkeit des Berufens auf eine tarifliche Ausschlussfrist - schadenersatzrechtliche Haftung für die Erteilung einer fehlerhaften Auskunft
Das BAG hat mit Urteil vom 15.12.2016 – 6 AZR 578/15 – wie folgt entschieden:
1. Unterlässt es der Arbeitgeber pflichtwidrig, dem Arbeitnehmer Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist veranlasst hätten, steht dem Berufen des Arbeitgebers auf die Ausschlussfrist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
2. Im Arbeitsverhältnis hat aufgrund der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie jede Partei grundsätzlich selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen. Der Arbeitgeber ist darum nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf tarifliche Änderungen hinzuweisen. Erteilt ein Arbeitgeber gleichwohl Informationen über die Auswirkungen einer Tarifänderung auf das Arbeitsverhältnis und sind diese Informationen unvollständig, so dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist versäumt, darf sich der Arbeitgeber auf den Verfall des Anspruchs berufen. Es fehlt an einem pflichtwidrigen Unterlassen und damit an der Voraussetzung für ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf die Ausschlussfrist.
3. Erteilt der Arbeitgeber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer deshalb gemäß § 241 Abs. 2 iVm. § 280 Abs. 1 BGB für Schäden, für die eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft ursächlich war.
4. Eine Auskunft, die zu einem Schadenersatzanspruch führen kann, liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Information falsch informiert oder wenn er im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, den Arbeitnehmer falsch berät.
5. Eine fehlerhaft erteilte Auskunft des Arbeitgebers hat unterschiedliche Folgen für den Verfall des Anspruchs und eine schadenersatzrechtliche Haftung des Arbeitgebers, weil sich die Risikoverteilung insoweit unterscheidet. Verlässt sich der Arbeitnehmer auf eine fehlerhafte Auskunft des Arbeitgebers, fällt dies hinsichtlich der Wahrung der Ausschlussfrist ausschließlich in seine Risikosphäre. Der Arbeitgeber kann sich darauf einstellen, diesen Anspruch nicht erfüllen zu müssen. Erteilt der Arbeitgeber dagegen auf ein vom Arbeitnehmer offenbartes Informationsbedürfnis Auskunft, verlagert § 280 Abs. 1 BGB als Haftungstatbestand das Risiko, dass die erteilte Auskunft inhaltlich zutrifft, in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Dieser haftet schadenersatzrechtlich für die Richtigkeit seiner Auskunft.