R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
07.12.2016
Arbeitsrecht
BAG: Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Mandatsträgers nach § 103 Abs. 3 BetrVG - dringende betriebliche Gründe - Anwendbarkeit der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG auf Versetzungen gemäß § 103 Abs. 3 BetrVG - Verhältni

Das BAG hat mit Beschluss vom 27.7.2016 – 7 ABR 55/14 – wie folgt entschieden:

1. Nach § 103 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bedarf die zu einem Mandatsverlust führende Versetzung eines in § 103 Abs. 1 BetrVG genannten Mandatsträgers der Zustimmung des Betriebsrats, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung nicht einverstanden ist. Gemäß § 103 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats auf Antrag des Arbeitgebers zu ersetzen, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Mandatsträgers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.

2. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, wonach das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vermutet wird, wenn bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die zu kündigenden Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet sind, ist nicht auf betriebsübergreifende Versetzungen von Mandatsträgern nach § 103 Abs. 3 BetrVG entsprechend anzuwenden.

3. Ein „dringender betrieblicher Grund“ iSv. § 103 Abs. 3 Satz 2 BetrVG liegt vor, wenn die Arbeitskraft des Mandatsträgers im Beschäftigungsbetrieb nicht mehr gefordert ist. Das kann Folge einer unternehmerischen Organisationsentscheidung sein. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Versetzung des Mandatsträgers nach Möglichkeit durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss aber keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten neu schaffen, um eine Versetzung zu vermeiden. Es kommt allein darauf an, ob auf Grundlage der nach einer unternehmerischen Entscheidung bestehenden Strukturen noch eine Möglichkeit besteht, den Mandatsträger im Betrieb sinnvoll weiterzubeschäftigen.

4. Die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 3 Satz 2 BetrVG setzt zudem voraus, dass die kollektiven Interessen der Belegschaft an der Kontinuität der Amtsführung und die individuellen Interessen des betroffenen Mandatsträgers gegenüber dem betrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Versetzung im Rahmen einer Abwägung zurücktreten müssen. Ist die beabsichtigte Versetzung individualrechtlich unzulässig oder aus anderen Gründen unwirksam, liegt ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Versetzung regelmäßig nicht vor.

5. Bei einer in den Anwendungsbereich von § 103 Abs. 3 Satz 1 BetrVG fallenden Versetzung eines Mandatsträgers geht das Verfahren nach § 103 Abs. 3 BetrVG dem Beteiligungsverfahren nach § 99 Abs. 1, Abs. 4 BetrVG als das speziellere vor. Der Betriebsrat kann die in § 99 Abs. 2 BetrVG geregelten Zustimmungsverweigerungsgründe auch im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 103 Abs. 3 BetrVG einwenden.

stats