StGH Baden-Württemberg: Effektivität eines Rechtsmittels und rechtliches Gehör
Der StGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 3.11.2014 – 1 VB 8/14 - wie folgt entschieden:
1. Zur Wahrung des Justizgewährungsanspruches (Art. 2 Abs.1 LV und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 23 Abs. 1 LV) dürfen keine unzumut-baren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Ge-richte dürfen ein von der Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine zu enge Handhabung der Vorschriften über dessen Begründung ineffektiv machen.
2. Im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren erhalten diese Anforderungen eine beson-dere Tragweite, weil dort der Vorsitzende die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG allein treffen kann. Kommt es für die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung nicht auf die Erfüllung formaler Kriterien an, sondern stehen materielle Rechtsfragen im Vordergrund, ist für die Verwerfung einer Berufung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG regelmäßig kein Raum.
3. Eine offensichtlich unrichtige Anwendung von Präklusionsvorschriften kann eine Verlet-zung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG) darstellen. Diese ist etwa dann anzunehmen, wenn im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren unabhängig von dem in § 67 Abs. 2 Satz 1 ArbGG genannten Kriteri-um der Verzögerung zusätzliche Anforderungen für die Zulassung neuer Angriffs- und Ver-teidigungsmittel aufgestellt werden.