BAG: Betriebsvereinbarung - Tarifvorrang - Gesamtzusage
Das BAG hat mit Urteil vom 23.1.2018 – 1 AZR 65/17 – wie folgt entschieden:
1. Ein dem Geltungsbereich eines einschlägigen Mantel- und Gehaltstarifvertrags unterfallender Arbeitgeber und der in seinem Betrieb gebildete Betriebsrat können wegen der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in einer Betriebsvereinbarung keine Gehaltsgruppen definieren und absolute Entgelthöhen festlegen. Das gilt auch dann, wenn die Regelungen für die Arbeitnehmer günstiger sind als diejenigen der Tarifvertragsparteien.
2. Die eine solche Betriebsvereinbarung betreffende Sperrwirkung ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit aufgehoben. Es handelt sich nicht um betriebliche Lohngestaltung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auf den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG kommt es nicht an.
3. Gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Regelungen in einer Betriebsvereinbarung sind unwirksam. Die Unwirksamkeitsfolge erstreckt sich - im vorliegenden Fall - nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB auf das in der Betriebsvereinbarung in der Höhe mit einem bestimmten prozentualen Anteil „des Gehalts“ festgelegte Weihnachts- und Urlaubsgeld.
4. Die Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage entsprechend § 140 BGB knüpft an Umstände an, die den Schluss rechtfertigen, dass sich der Arbeitgeber unabhängig von dem kollektiv-rechtlichen Gestaltungsmittel verpflichten wollte, bestimmte Leistungen zu gewähren. Hierfür geben die Regelungen der Betriebsvereinbarung ebenso wenig her wie die in einer ihr vorangestellten Präambel niedergelegten gemeinsamen Erklärungen der Betriebsparteien.
BetrVG § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. und Nr. 10; TVG § 3 Abs. 1; BGB §§ 139, 140; Manteltarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel § 1 Nr. 1, § 6 Nr. 1; Gehaltstarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel §§ 1, 2; Lohntarifvertrag für den Hamburger Einzelhandel §§ 1, 2