BAG: Betriebsübergang - Wahrung der Identität der Einheit - Gesamtbewertung
Das BAG hat mit Urteil vom 25.8.2016 – 8 AZR 53/15 – wie folgt entschieden:
1. Ein Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB - wie auch iSd. Richtlinie 2001/23/EG - liegt vor, wenn die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt und die in Rede stehende Einheit nach der Übernahme durch den neuen Inhaber ihre Identität bewahrt.
2. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen im Rahmen einer Gesamtbewertung berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Dabei kommt den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien je nach der Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebs, je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu.
a) Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in einem solchen Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt.
b) Kommt es nicht im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, da die Tätigkeit beispielsweise in erheblichem Umfang materielle Betriebsmittel erfordert, ist bei der Würdigung zu berücksichtigen, ob diese vom alten auf den neuen Inhaber übergegangen sind. Vor diesem Hintergrund kann der Übergang materieller Betriebsmittel ein wesentliches Kriterium sein, aufgrund dessen ein Betriebsübergang anzunehmen ist.
c) Allein in der bloßen Fortführung einer Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) oder der bloßen Auftragsnachfolge liegt kein Betriebs(teil)übergang.
3. Im vorliegenden Verfahren, das die Übernahme des bodengebundenen Rettungsdienstes im Altkreis Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) durch einen neuen Inhaber zum Gegenstand hat, waren zwar nicht (ausschließlich) die materiellen Betriebsmittel - insbesondere die Fahrzeuge - identitätsbestimmend. Vielmehr wurde die Identität dieses Rettungsdienstes ebenso durch das Rettungspersonal mitgeprägt. Allerdings waren die Rettungsfahrzeuge für die wirtschaftliche Einheit „Rettungsdienst“ unverzichtbar, weshalb die in Rede stehende Einheit nach der Übernahme durch den neuen Inhaber ihre Identität nur bewahren konnte, wenn auch die Rettungsfahrzeuge übernommen wurden. Aus dem Umstand, dass die Fahrzeuge zum Übernahmezeitpunkt bereits „buchhalterisch“ abgeschrieben waren und dass die Kosten der Anschaffung neuer Fahrzeuge mittelbar über die Benutzungsentgelte von den Trägern der Sozialversicherung „refinanziert“ werden, ergab sich im Rahmen der Gesamtbewertung nichts Abweichendes.