BAG: Berufsfreiheit - Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit - Ruhen des Arbeitsverhältnisses - Reichweite des Weiterbeschäftigungsanspruchs des § 33 Abs. 3 TVöD-AT - Beschränkung der Ruhensanordnung durch höherrangiges Gesetzesrecht - schwerbehinder
Das BAG hat mit Urteil vom 17.3.2016 – 6 AZR 221/15 – wie folgt entschieden:
1. Die Ruhensanordnung des § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD-AT greift sowohl in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit als auch in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl ein.
2. Die Rechtsfolgen des § 33 Abs. 2 TVöD-AT hängen nicht von den individuellen Verhältnissen der Beschäftigten ab, die Erwerbsminderungsrente beziehen.
3. Die Anordnung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ist auch für den Fall der Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit verfassungskonform.
4. In Kombination mit der sozialrechtlichen Dispositionsbefugnis ist § 33 Abs. 3 TVöD-AT bei verfassungskonformer Auslegung seiner Reichweite noch das verfassungsrechtlich gebotene Korrektiv, um die Ruhensanordnung zu rechtfertigen.
5. Die Frist für den Weiterbeschäftigungsantrag nach § 33 Abs. 3 TVöD-AT beginnt erst mit dem Zugang der Ruhensmitteilung zu laufen.
6. Der Arbeitgeber kann den form- und fristgerecht gestellten Weiterbeschäftigungsantrag nach § 33 Abs. 3 TVöD-AT nur ablehnen, wenn keine dem Arbeitgeber zumutbare Möglichkeit besteht, den Beschäftigten auf einem freien Arbeitsplatz zu beschäftigen, dessen Anforderungen dieser nach seinem verbliebenen Leistungsvermögen genügt.
7. Auch bei Versäumung der Frist des § 33 Abs. 3 TVöD-AT verbleiben den Beschäftigten noch Möglichkeiten, ihre tatsächliche Beschäftigung zu erreichen und damit ihr Einkommen zu steigern. Insoweit sind die Ansprüche auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3 SGB IX zu beachten. Darüber hinaus kann jeder Beschäftigter, der eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit bezieht, während des von § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-AT angeordneten Ruhens des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich eine (erneute) Prüfung der Möglichkeit seiner Beschäftigung unter Berücksichtigung seines verbliebenen Leistungsvermögens verlangen. Das ergibt sich aus der im ruhenden Arbeitsverhältnis weitergeltenden, in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Rücksichtnahmepflicht.
GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2; SGB VI § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2; SGB IX § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 3, § 84 Abs. 1; TVöD-AT § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6, Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1