BAG: Benachteiligung wegen des Alters - Auswahlverfahren - Entschädigung - Vermutung der Benachteiligung - Stellenausschreibung - mittelbare Benachteiligung - Rechtfertigung - Widerlegung der Vermutung
Das BAG hat mit Urteil vom 15.12.2016 – 8 AZR 454/15 – wie folgt entschieden:
1. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
2. § 3 Abs. 2 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2000/78/EG - und entsprechender Bestimmungen weiterer Richtlinien - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen. Nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG ist bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung nicht erfüllt, wenn diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
3. Das mit den neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren verfolgte „rechtmäßige“ Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, muss zwar kein „legitimes“ Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG sowie von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung sein, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Es muss sich aber um ein objektives Ziel handeln, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes nach § 1 AGG zu tun hat. Rechtmäßige Ziele in diesem Sinne können also nur solche sein, die nicht ihrerseits diskriminierend sind und die auch ansonsten legal sind. Wird ein wirtschaftlicher Grund als objektives Ziel angeführt, kommt nur ein objektiv gerechtfertigter wirtschaftlicher Grund in Frage.
Der für die Ungleichbehandlung angeführte Grund muss einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen.
4. Zudem müssen die differenzierenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels erforderlich und angemessen sein. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen. Dabei sind in unionsrechts-konformer Auslegung von § 3 Satz 2 Halbs. 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, sie also dafür geeignet sind, sie zudem im Hinblick auf die Erreichung dieses Ziels erforderlich sind, was nur angenommen werden kann, wenn dieses Ziel durch andere geeignete und weniger einschneidende Mittel nicht erreicht werden kann, und wenn die Mittel ferner im Hinblick auf das angestrebte Ziel angemessen sind, was bedeutet, dass die Mittel nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Personen führen, die wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden.
5. Die Darlegungs- und Beweislast für die die Rechtfertigung iSv. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG begründenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber. Dies ergibt die Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG unter Berücksichtigung der Vorgaben des Unionsrechts.