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Arbeitsrecht
25.06.2020
Arbeitsrecht
BAG: Benachteiligung nach dem AGG - Zugang der Bewerbung beim Arbeitgeber - Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten (schwer)behinderter Bewerber enthalten - Höhe der Entschädigung

Das BAG hat mit Urteil vom 23.1.2020 – 8 AZR 484/18 – wie folgt entschieden:

1. Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG ist, wer eine Bewerbung beim Arbeitgeber eingereicht hat. Dafür ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die Bewerbung dem Arbeitgeber entsprechend § 130 BGB zugegangen ist. Dass der Arbeitgeber bzw. die bei diesem über die Bewerbung entscheidenden Personen tatsächlich Kenntnis von einer zugegangenen Bewerbung nehmen, ist hingegen nicht erforderlich (Rn. 16 ff.).

2. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, kann grundsätzlich „nur“ die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass der erfolglose schwerbehinderte Bewerber die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG wegen der (Schwer)Behinderung erfahren hat (Rn. 37).

3. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF nicht nachkommt, einen schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Das Gesetz knüpft an den Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bestimmte Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch keine Entschädigungspflicht nach § 15 Abs. 2 AGG (Rn. 37).

4. Eine andere Bewertung ist auch im Hinblick auf die in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie Art. 5 Abs. 3 UN-BRK und Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) UN-BRK getroffenen Vorgaben nicht veranlasst.

5. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Vermutung nach § 22 AGG, er habe den erfolglosen Bewerber wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, dadurch widerlegen, dass er substantiiert vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bzw. die bei ihm über die Einstellung entscheidenden Personen aufgrund besonderer, ihm nicht zurechenbarer Umstände des Einzelfalls nicht die Möglichkeit hatte(n), eine iSv. § 130 BGB zugegangene Bewerbung tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen.

6. Die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG bestimmte Grenze, nach der die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, was vom Arbeitgeber darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen ist, ist eine „Kappungsgrenze“. Deshalb ist zunächst die Höhe einer angemessenen und der Höhe nach nicht begrenzten Entschädigung zu ermitteln und diese ist dann, wenn sie drei Monatsgehälter übersteigen sollte, zu kappen (Rn. 83).

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