BAG: Beitragspflichten zu der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft - Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 (SokaSiG)
Das BAG hat mit Urteil vom 8.5.2019 – 10 AZR 559/17 – wie folgt entschieden:
1. Ein Betrieb unterfällt dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV nach § 1 Abs. 2 Abschn. II, wenn er nach seiner Zweckbestimmung, die durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägt wird, und nach der Art der betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringt, die dazu dienen, ein Bauwerk zu erstellen, instand zu setzen, zu ändern oder zu beseitigen. Die Arbeiten müssen zudem baulich geprägt sein (Rn. 21).
2. Die Erstellung eines Wintergartens stellt eine baugewerbliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dar, weil die Arbeiten dazu dienen, ein Bauwerk zu ändern. Für die Einordnung der Tätigkeit ist nicht auf die einzelnen Arbeitsschritte abzustellen, sondern auf den Zweck der Gesamtleistung. Auch in der Werkstatt und nicht „vor Ort“ ausgeführte Tätigkeiten können berücksichtigt werden (Rn. 22).
3. Für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV, nach dem ein Betrieb nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfällt, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Erforderlich ist der Vortrag von Tatsachen, die den Schluss zulassen, dass die beschäftigten Arbeitnehmer im jeweiligen Kalenderjahr zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit eine der Tätigkeiten ausgeführt haben, die in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV genannt ist (Rn. 25).
4. § 7 SokaSiG ist aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Er verstößt insbesondere nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Beeinträchtigungen der Koalitionsfreiheit, mit denen die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gesichert und Bedingungen für einen fairen Wettbewerb geschaffen werden sollen, sind gerechtfertigt (Rn. 29 ff.).
5. Trägt der in Anspruch genommene Arbeitgeber erstmals in der Revisionsinstanz Tatsachen vor, die nach seiner Auffassung dazu führen, dass die Anwendung des SokaSiG im Einzelfall mit Grundrechten unvereinbar sei, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz, der nach § 72 Abs. 5 ArbGG, § 559 ZPO nicht zu berücksichtigen ist (Rn. 51 ff.).
6. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind durch das Revisionsgericht bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen. Sie können auch dann zulasten des Revisionsführers abgeändert werden, wenn die Gegenseite keine Revision eingelegt hat. Das Verschlechterungsverbot - das sog. Verbot der „reformatio in peius“ - gilt hierfür nicht (Rn. 58).