BAG: Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft - wirksame AVE VTV 2006 – unwirksame AVE VTV 2008 I - Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 (SokaSiG)
Das BAG hat mit Urteil vom 20.5.2020 – 10 AZR 576/18 – wie folgt entschieden:
1. Entstanden ist ein Anspruch iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn er erstmals geltend gemacht und notfalls klageweise durchgesetzt werden kann. Grundsätzlich entsteht ein Anspruch iSv. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn er nach § 271 BGB fällig ist. Die Verjährungsfrist kann nicht zulasten des Berechtigten beginnen, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen, indem er Klage erhebt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB; Rn. 33).
2. Die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung nach § 204 Abs. 1 BGB endet nicht nach § 204 Abs. 2 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB in der bis zum 31. Oktober 2018 geltenden Fassung, solange die Parteien das Verfahren aus einem triftigen Grund nicht betreiben, der aus den nach außen erkennbaren Umständen hervorgeht. Die Neustrukturierung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz steht dieser einschränkenden Auslegung des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Oktober 2018 geltenden Fassung nicht entgegen. Die jetzigen wortgleichen Regelungen in § 204 Abs. 2 Satz 3 iVm. Satz 1 BGB in der seit dem 1. November 2018 geltenden Fassung sind in gleicher Weise einschränkend auszulegen (Rn. 37 ff.).
3. Ein triftiger Grund, einen Rechtsstreit über Beiträge zu dem Urlaubskassenverfahren der Bauwirtschaft nicht zu betreiben, besteht bis zu der Beendigung eines Strafverfahrens, das gegen den Beitragsschuldner wegen des Vorwurfs geführt wird, während des Klagezeitraums Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut zu haben (Rn. 41 ff.).
4. Der befristete Verzicht darauf, die Verjährungseinrede zu erheben, bewirkt regelmäßig, dass die Einrede erst nach Ablauf der Frist erhoben werden kann. Er hat keine Auswirkungen auf die Verjährung und deren Hemmung. Solange ein vor Ablauf der Verjährungsfrist eingeleitetes Klageverfahren von den Parteien aus triftigem Grund nicht betrieben wird, kann der Schuldner die Einrede auch dann nicht mit Erfolg erheben, wenn die für den Einredeverzicht bestimmte Frist verstrichen ist (Rn. 52 ff.).
5. Aus Sicht des Senats bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Geltungserstreckung der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes nach § 7 SokaSiG (Rn. 56 ff.).