BAG: Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung - Entlassungsverlangen des Betriebsrats
Das BAG hat mit Urteil vom 28.3.2017 – 2 AZR 551/16 – wie folgt entschieden:
1. § 104 Satz 1 BetrVG normiert einen eigenen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Entlassung oder Versetzung eines Arbeitnehmers.
2. Das Verlangen nach „Entlassung“ gem. § 104 Satz 1 BetrVG bzw. eine Verpflichtung des Arbeitgebers im Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG, „die Entlassung“ durchzuführen, ist auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses des betroffenen Arbeitnehmers, nicht nur auf eine Beendigung seiner Beschäftigung in dem bisherigen Betrieb gerichtet.
3. In einem Beschlussverfahren über ein Entlassungsverlangen nach § 104 Satz 2 BetrVG ist allein zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein berechtigtes Verlangen des Betriebsrats gem. § 104 Satz 1 BetrVG vorliegen. Auf das Maß des individuellen Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers kommt es nicht an.
4. Der Arbeitgeber genügt einer Verpflichtung zur Entlassung des Arbeitnehmers gem. § 104 Satz 2 BetrVG, wenn er zeitnah nach Rechtskraft der im Beschlussverfahren ergangenen Entscheidung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfristen - im Falle der ordentlichen Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ggf. durch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist - bewirkt. Der Betriebsrat hat nicht das Recht, eine fristlose Entlassung des Arbeitnehmers zu verlangen.
5. Ist einem Entlassungsverlangen des Betriebsrats in einem Beschlussverfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG, in welchem der betroffene Arbeitnehmer gem. § 83 Abs. 3 ArbGG angehört wurde, rechtskräftig entsprochen worden, begründet dies ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für eine ordentliche Kündigung.
6. Eine gesonderte Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist nach einer von ihm selbst verlangten Entlassung entbehrlich, solange sich die vom Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung im Rahmen des Verlangens hält.