BAG: Außerordentliche Tat- und Verdachtskündigung – Rechtskraftwirkung
Das BAG hat mit Urteil vom 22.11.2012 - 2 AZR 732/11 - wie folgt entschieden:
1. Mit der Rechtskraft des einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG stattgebenden Urteils steht regelmäßig fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Auch enthält ein rechtskräftiges Urteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung zu dem vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist, grundsätzlich die konkludente Feststellung, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist. Die Rechtskraft schließt im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus.
2. Der Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils kann auf die – streitige – Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt werden. Durch eine solche Einschränkung des Umfangs der Rechtskraft, die deutlicher Anhaltspunkte bedarf, wird die Frage, ob das Arbeitsverhältnis durch eine vorhergehende und zu einem früheren Zeitpunkt wirkende Kündigung aufgelöst worden ist, „ausgeklammert“.
3. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Geht esumein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Dies gilt unabhängig davon, ob er eine Tat- oder eine Verdachtskündigung in Erwägung zieht. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu Beginn der Ermittlungen schon einmal gekündigt, ist er dadurch nicht gehindert, eine erneute Kündigungaufeineveränderte Tatsachengrundlage zu stützen.
4. Mängel bei der Beschlussfassung des Betriebsrats haben grundsätzlich selbst dann keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit seiner Anhörung, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt weiß oder erkennen kann, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt hat. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn erkennbar keine Stellungnahme des Gremiums „Betriebsrat“ vorliegt oder der Arbeitgeber den Fehler des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst hat.