BAG: Außerordentliche Kündigung - angestellter Lehrer - sexueller Missbrauch eine Kindes - Verwertung der Feststellungen eines Strafurteils - Anhörung des Personalrats
Das BAG hat mit Urteil vom 23.10.2014 –2 AZR 865/13 – wie folgt entschieden:
1. Die in einem strafrichterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen sind für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend. Sie können gleichwohl im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Zivilrichters iSv. § 286 Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden. Das Strafurteil ist, wenn eine Partei sich zu Beweis-zwecken darauf beruft, im Wege des Urkundenbeweises gemäß §§ 415, 417 ZPO zu verwerten.
2. Der Zivilrichter darf die vom Strafgericht getroffenen Feststellungen nicht unbesehen übernehmen. Er hat die in der Beweisurkunde dargelegten Feststellungen einer eigenen kritischen Überprüfung zu unterziehen und den Beweiswert der früheren, lediglich urkundlich im Urteil des Strafgerichts belegten Aussage sorgfältig zu prüfen.
3. Die Vernehmung von Zeugen darf im Zivilprozess nicht unter Hinweis auf die strafgerichtlichen Feststellungen abgelehnt werden. Eine Verwertung der früheren, im Strafurteil wiedergegebenen Aussagen im Wege des Urkundenbeweises anstelle der beantragten Anhörung ist unzulässig, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung des Zeugen verlangt.
4. Das Zivilgericht muss sich grundsätzlich einen persönlichen Eindruck von einem Zeugen verschaffen, wenn es auf dessen (Un-)Glaubwürdigkeit abstellen möchte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für die Würdigung maßgeblichen Umstände in den Akten festgehalten worden sind und die Parteien Gelegenheit hatten, sich dazu zu erklären.
5. Vor der Erhebung eines auf Indizien gestützten Gegenbeweises muss der Tatrichter prüfen, ob die dafür angeführten Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, seine Überzeugung von der Wahrheit der Haupttatsache erschüttern würden.