BAG: Außerordentliche Kündigung - Kündigungserklärungsfrist - fristauslösende Tatsachenkenntnis - Kündigungsermächtigung - Wahrunterstellung von streitigem Parteivortrag
Das BAG hat mit Urteil vom 27.2.2020 – 2 AZR 570/19 – wie folgt entschieden:
1. Das Anlaufen der Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB setzt in jedem Fall voraus, dass dem Kündigungsberechtigten die für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt und nur noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind oder doch erscheinen dürfen, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen die Kündigung sprechenden Tatsachen. Hingegen besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer belastende und den Sachverhalt ggf. erst in den Bereich des wichtigen Grundes hebende Tatsachen zu ermitteln. Das widerspräche dem Grundsatz, dass eine - sogar grob - fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen nicht genügt, um die Kündigungserklärungsfrist auszulösen und läge auch nicht im Interesse des Arbeitnehmers (Rn. 31).
2. Dem Erklärungsempfänger steht das Recht zu, ein ihm gegenüber von einem Nichtberechtigten mit Einwilligung des Berechtigten nach § 185 Abs. 1 BGB vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft - wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses - mangels Vorlage der Einwilligung in schriftlicher Form zurückzuweisen, wenn der Berechtigte ihn - den Erklärungsempfänger - nicht zuvor von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte. Es bedurfte keiner Entscheidung, ob dieses Zurückweisungsrecht aus § 182 Abs. 3 iVm. § 111 Satz 2 BGB oder einer analogen Anwendung von § 174 BGB folgt (Rn. 46).
3. Der streitige Vortrag einer Partei darf vom Gericht zur Vermeidung einer Beweisaufnahme nur so als wahr unterstellt werden, wie er von ihr gehalten worden ist (Rn. 27).