BAG: Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung - Bewerber für den Wahlvorstand - Sonderkündigungsschutz - arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme - Grenzen der Meinungsfreiheit - Äußerungen in einem über digitale Medien verbreiteten Video
Das BAG hat mit Urteil 31.7.2014 – 2 AZR 505/13 – wie folgt entschieden:
1. Ein Arbeitnehmer, der für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidiert oder vorgeschlagen wird, ist kein „Wahlbewerber“ iSv. § 103 BetrVG, § 15 Abs. 3 KSchG. Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bedarf deshalb zu ihrer Wirksamkeit nicht der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch das Arbeitsgericht. Das Arbeitsverhältnis eines „Kandidaten“ für den Wahlvorstand ist grundsätzlich ordentlich kündbar.
2. Ein Arbeitnehmer verletzt seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er über seinen Arbeitgeber, seine Vorgesetzten oder Kollegen bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen aufstellt, insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Ein solches Verhalten kann - je nach den Umständen - einen wichtigen Grund zur Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Gleiches gilt für eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung, die geeignet ist, bei Geschäftspartnern Misstrauen in die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers hervorzurufen.
3. Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Sachbezogene Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten kann jedoch von der Meinungsäußerungsfreiheit des Arbeitnehmers gedeckt sein. Für die Grenzziehung kommt es auf den Inhalt und den Kontext der Äußerungen an.
4. Um der Meinungsfreiheit gerecht zu werden, dürfen Gerichte einer Äußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat. Bei Mehrdeutigkeit dürfen Äußerungen wegen eines möglichen Inhalts nicht Grundlage für nachteilige Folgen sein, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist.